1122 - Der Prophet des Teufels
waren und sich auch einer anderen Sprache bedient hatten. Orientalischer, blumiger, mehr in Gleichnisse verdreht.
Im Pfarrhaus wohnte er allein. Dreimal in der Woche erschien eine Zugehfrau, die bei ihm putzte, mal kochte und auch seine Wäsche mitnahm. Er hatte sich zunächst dagegen gewehrt, aber die Frau, die schon seit über zwanzig Jahren dem Beruf nachging, hatte sich einfach nicht abweisen lassen.
Auch an diesem denkwürdigen Nachmittag war sie gekommen. Er hatte sein Haus erst seit einigen Minuten betreten und sich umgezogen – Jeans und Hemd, da traf sie ein.
Mielke sah ihrem Gesicht an, dass etwas nicht stimmte. Sein Lächeln verschwand, als er sie in der offenen Tür des Arbeitszimmers stehen sah. »Ist was?«
»Ja.«
»Was denn?«
»Ich habe Angst um Sie, Herr Pfarrer.«
Frank Mielke wollte lachen. Er hätte es auch gern getan, doch ihm fiel die Szene auf dem Friedhof wieder ein, und so blieb er relativ ernst. »Das ist zwar sehr nett, Martha, aber ich denke, dass Sie wirklich keine Angst um mich zu haben brauchen.«
»Doch.«
»Warum?«
»Darf ich mich setzen?«
»Bitte.«
Martha betrat das Zimmer. Sie wurde in zwei Jahren sechzig.
Klein, mütterlich, mit einem lieben Gesicht, auf dem jetzt die Schatten der Angst lagen. »Ich habe mit Luise gesprochen, die ja auch auf der Beerdigung gewesen ist.«
»Na und?«
Martha neigte sich vor und redete mit gesenkter Stimme. »Das ist ungeheuerlich, was da auf dem Friedhof geschah. Wirklich grauenvoll.«
Der Geistliche nickte. Er hatte sich schon gedacht, dass sich die Ereignisse in Windeseile herumsprechen würden, und winkte deshalb ab. »Nein, meine Liebe, Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Das ganze ist ein übler Scherz gewesen.«
»Scherz?« flüsterte Martha, und ihre Augen weiteten sich. »Mit dem Leibhaftigen treibt man keine Scherze. Gerade Sie als Priester müssten das wissen.«
Frank Mielke blieb ruhig. »Sie haben da vom Teufel gesprochen?«
»Ja, ja, ja.« Die Worte wurden von einem heftigen Nicken begleitete. »Er hat uns besucht. Er ist in einer bestimmten Gestalt auf den Friedhof gekommen. Nicht mit Bocksfuß und Hörnern. Nein, er hat sich verkleidet. Er ist ein wahrer Meister darin. Ein Täuscher, ein Trickser und ein Blender. Er hat die Karten hervorgeholt, und Sie, Herr Pfarrer, haben zwei gezogen. Eine davon bedeutete den Tod.«
Sie rückte jetzt noch näher an Mielke heran. »Der Tod, Herr Pfarrer. Das ist einfach grauenhaft, und es ist eine so brutale Tatsache, verstehen Sie?«
»Ich…«
Sie ließ ihn nicht ausreden und griff nach seinem Arm. »Sie sollten jetzt noch mehr beten als sonst, Herr Pfarrer. Nehmen Sie sich bitte in acht. Tun Sie mir, uns und auch sich selbst den Gefallen. Darum kann ich Sie nur bitten. Wir wollen Sie nicht verlieren. Sie dürfen kein Opfer der Hölle werden.«
»Ist schon recht.«
Martha ließ sich nicht beirren. »Sagen Sie das nicht so leichthin. Der Teufel ist so stark und groß. Er findet immer Tricks, an die Menschen heranzukommen. Auch an Sie.«
»Nun hören Sie mal auf mit dem Gerede!« Allmählich empfand der Geistliche den Besuch der Frau nicht mehr als Spaß. Die Warnungen gingen ihm auf die Nerven. Aber Martha ließ nicht locker.
»Haben Sie denn die Karte gezogen oder ich?«
»Es war ein Spiel.«
»Nein, das war mehr!« behauptete sie.
»Es war das Spiel eines Verrückten, der einigen Menschen Angst machen wollte.«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Hören Sie, Herr Pfarrer, jetzt bin ich so alt geworden, und ich kann unterscheiden, ob jemand verrückt ist oder nicht. Dieser Besucher ist nicht verrückt gewesen, denn diese Leute reagieren anders. Der hat ganz genau gewusst, was er tat. Er hat euch zielstrebig ausgesucht.« Sie fügte ein mehrmaliges Nicken hinzu, und der junge Geistliche wusste, dass sie noch weiter reden würde, denn eine Frau wie Martha kam sich immer vor wie jemand, der eine Botschaft zu verbreiten hatte.
Er aber wollte nicht noch in der nächsten Stunde mit ihr zusammensitzen und schaute demonstrativ auf seine Uhr. Als sie sich davon auch nicht ablenken ließ, fiel er ihr ins Wort. »Es tut mir leid, aber ich möchte Sie bitten, jetzt zu gehen. Ich habe noch zu arbeiten.«
Die Zugehfrau blickte ihn aus großen Augen an. Sie ließ sich die Bemerkung durch den Kopf gehen. »Arbeiten wollen Sie, Herr Pfarrer? Nein, das nicht. Bitte nicht. Keine Arbeit. Das dürfen Sie nicht tun. Sie sollten jetzt beten. Nur beten, verstehen Sie? Alles andere
Weitere Kostenlose Bücher