1122 - Der Prophet des Teufels
Ob das nun mit dem Besuch des Propheten zu tun hatte, das wollte er nicht unterschreiben, aber er verbannte es auch nicht aus seinem Gedächtnis.
Für ihn gab es nichts anderes zu tun, als einfach abzuwarten, was noch passierte. Er konnte den Propheten nicht verfolgen, weil er gar nicht wusste, wohin er verschwunden war. Er hätte ihm jetzt gern und unter vier Augen einige Fragen gestellt und…
Das Telefon klingelte. Es stand neben dem Computer auf einemkleinen Tisch. Mielke selbst hatte den PC aus seinem Privatbesitz mitgebracht und kam dadurch mit der Organisation besser zurecht.
Nur wenn die Arbeit zuviel wurde, griff er auf eine Schülerin zurück, die für ihn Sekretariatsarbeit leistete.
Nach dem dritten Klingeln hob er ab. Er rechnete damit, eine bekannte Stimme zu hören, doch das Organ war ihm relativ unbekannt, obwohl er sich eingestehen musste, dass er es schon einmal gehört hatte. Nur mit einem Namen konnte er nicht dienen.
»Mielke?« wiederholte sich die Stimme.
»Ja.«
»Ich bin es.«
»Wer sind Sie?«
»Dein Schicksal.«
Plötzlich war der Schweiß wieder da. Der Adrenalinstoß hätte dafür gesorgt, und der Pfarrer merkte auch, dass sein Herz schneller schlug. »Hören Sie mit dem Unsinn auf!«
»Nein, Herr Pfarrer, ich fange erst an. Sie haben die Karte gezogen, und ich bin es als Prophet gewohnt, meine Versprechen zu halten. Zuerst warne ich, dann schlage ich zu. So ist das immer, und so werde ich es auch fortsetzen.«
»Ich habe Ihnen nichts getan!« flüsterte der Geistliche scharf. »Ich weiß nicht, was diese Spiele sollen. Suchen Sie sich eine andere Person aus. Ich bin für derartige Scherze nicht zu haben. Und kommen Sie mir nicht noch einmal unter die Augen.«
»Das kann ich nicht versprechen.«
Das letzte Wort hörte der Pfarrer bereits nicht mehr, denn er hatte, aufgelegt. Frank Mielke musste zugeben, dass er sich nach diesem Anruf keinesfalls wohler fühlte. Er hatte dem anderen seine Meinung gesagt, doch erleichtert war er nicht. Das Gegenteil stimmte eher.
Jetzt wusste er, dass der Prophet ihn nicht vergessen hatte. Ohne dass er es eigentlich bewusst wollte, drehte er seinen Kopf und schaute zu dem schlichten Holzkreuz hin, das an einer Breitseite des Zimmers hing und sich von der hellen Wand abmalte.
Der Pfarrer hoffte, so etwas wie Trost zu finden. Der Anruf und auch das Geschehen auf dem Friedhof hatten ihn deprimiert und durcheinander gebracht. Jetzt befand er sich in einer Verfassung, in der er am liebsten das Haus verlassen und irgendwohin gegangen wäre. Es wäre unter Umständen die beste Möglichkeit gewesen. Andererseits brachte es nichts. Ein Mensch kann seinem Schicksal nicht davonlaufen. An seine zu erledigende Arbeit dachte er nicht. Er war nicht mehr in der Lage, einen Kostenplan aufzustellen, was er sich für diesen Tag vorgenommen hatte. Dabei hätte er seine Gedanken sammeln müssen, doch das würde ihm nicht gelingen.
Der Prophet ließ sich nicht aus seinen Gedanken verbannen. Deshalb beschäftigte er sich mit ihm. Wo kam er her? Wer steckte dahinter? Besaß er einen Namen? War es ihm möglich, sich so schnell zu verwandeln und zu einem anderen zu werden?
Alles Gedanken, die ihn durcheinander brachten, weil er nicht wusste, wo er anfangen sollte.
Hin und wieder schenkte man ihm eine Flasche mit selbst gebranntem Schnaps. Ein Gläschen in Ehren konnte auch einem Pfarrer nicht schaden. Manchmal beruhigte es ihn auch, und er nahm sich vor, einen Doppelten zu trinken.
Die Flasche stand in der Küche, in der es recht dunkel war. Der Raum lag zum Norden hin, doch das war nicht der eigentliche Grund. Die Efeuranken hätten geschnitten werden müssen, denn sie wuchsen von außen her an die Scheibe heran und filterten so einen Teil des Tageslichts.
Er öffnete die Tür eines alten Schranks, den er auch von seinem Vorgänger übernommen hatte. Die Flasche war noch halb voll. Gläser standen daneben, und er entschied sich für ein Wasserglas, das er zu einem Drittel mit Beerenschnaps füllte.
Der Duft stieg ihm in die Nase. Nicht scharf, sondern angenehm, und so nahm er den ersten Schluck, der immer brannte, da kannte sich Mielke schon aus.
Er trank langsam und genoss die Wärme, die durch die Kehle rann und sich im Magen festsetzte. Der Geschmack von Himbeeren lag auf seiner Zunge, und er nahm auch noch einen zweiten Schluck.
Ruhiger und besser fühlte er sich trotzdem nicht. Mit dem Glas in der Hand ging er wieder zurück in sein Arbeitszimmer. Der
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