1122 - Der Prophet des Teufels
Schicksal war besiegelt, und das wurde ihm auf drastische Art und Weise klargemacht.
Doch er wollte nicht sterben. Er war noch zu jung, viel zu jung. Als alter Priester hätte er vielleicht anders gedacht und sich in sein Schicksal ergeben, doch nicht als Mann von 33 Jahren. Er musste nur den Schock überwinden.
Nicht allein der Anblick dieses monströsen Geschöpfs trug daran die Schuld, es gab auch noch etwas anderes, das wie ein großer Berg auf seiner Seele lastete.
Es war der große Vertrauensverlust, den er erlitten hatte. Damit kam er schwer zurecht. Sein Weltbild war in den letzten beiden Stunden nicht nur angeschlagen worden, es war auch zusammengebrochen, denn er hatte erleben müssen, dass die Kraft des Bösen die des Guten überrundet hatte.
Er schlug ein Kreuzzeichen!
Schon in seiner Kindheit hatte er dies des Öfteren getan, wenn ihn Sorgen oder Alpträume geplagt hatten. In diesem Fall half es ihm ebenfalls. Die Geste vertrieb zwar nicht die mächtige Gestalt, aber sie nahm den Druck von ihm weg, so dass er wieder normal durchatmen und auch besser denken konnte.
Noch hatte ihm das lebende Skelett nichts getan. Es hatte nicht einmal mit der Sense gedroht. Nur die Worte hatten ihn einschüchtern sollen, und er wusste auch nicht, ob das Monster ebenso stark war wie die Gestalt, aus der es sich hervorgeschält hatte.
Hinter ihm befand sich die Tür. Mielke ging zurück. Erst einen Schritt, dann den zweiten. Jenseits der Tür lag der Flur, und von dort aus konnte er mit wenigen Schritten die Haustür erreichen.
Es war ganz einfach in der Theorie, aber er ging davon aus, dass die Praxis anders aussah. Dieser Prophet war sein Schicksal und hatte ihm nicht einfach nur einen Besuch abstatten wollen.
Die Tür war geschlossen. Er musste sie erst aufreißen, um verschwinden zu können, was natürlich Zeit kostete. Wäre er in Panik verfallen, wäre er schon längst verschwunden, doch seltsamerweise überlegte er und dachte über gewisse Schritte nach, wie er entkommen konnte.
Zu lange. Denn das Skelett vor ihm ließ nicht zu, dass er die Initiative übernahm. Frank sah so etwas wie den schnellen Glanz einer Spiegelscherbe, doch es war nur ein Reflex der Sensenklinge, als sie bewegt wurde.
Er riss die Tür auf. Und plötzlich löste sich seine Angst in einem Schrei. Er hatte sich noch gedreht, um die Schwelle mit einem großen Sprung überwinden zu können.
Es war tatsächlich wie von einem Regisseur gemacht, doch nichts wirkte hier gestellt. Direkt gegenüber der Tür hing an der Flurwand ein langer Spiegel, der fast bis zum Boden reichte. Frank Mielke hatte die Augen weit geöffnet und so konnte er sich selbst im Spiegel sehen, wie er über die Schwelle in den Flur hineinhechtete. Er hätte auch das Skelett mit der Sense hinter sich sehen müssen, aber der Spiegel gab dieses Bild nicht wider. Statt dessen sah er einen grauen Schatten, der sich zitternd in der Fläche bewegte.
Er schrie auf und machte sich durch diesen Schrei Mut. Dann drehte er sich nach links, um die Haustür zu erreichen. Auf allen vieren lief er weiter, um sich zu fangen und schaffte es erst nach zwei Metern, sich aufzuraffen. Erst jetzt rannte er stolpernd auf die rettende Tür zu und schaute sich dabei auch nicht um, weil er seinen Verfolger nicht sehen wollte.
Der kurze Gang kam ihm plötzlich sehr lang vor. Er wurde zu einem wirbelnden Etwas. Mielke kam sich vor wie jemand, der sich in einen Schlauch hineingedreht hatte, der sich immer mehr verengte.
Er wollte es schaffen. Er streckte den rechten Arm nach der Klinke aus.
Etwas strich über seinen Rücken. Mitten im Lauf hatte es ihn erwischt. Es war bei der ersten Berührung nicht einmal schlimm. Wie eine scharfe und kalte Handkante, die aber tiefer einschnitt.
Seine Kleidung wurde aufgetrennt. Und dann erwischte es ihn voll. Die ausgestreckte Hand erreichte die rettende Türklinke nicht mehr. Der Schmerz fraß sich durch seinen Körper.
Plötzlich bekam er keine Luft mehr. Er war nicht einmal in der Lage, einen Schrei auszustoßen, und der brennende Schmerz wühlte sich noch tiefer in seinen Körper hinein. Er durchdrang ihn völlig, er war verzehrend, er nahm ihm das Leben, und in den letzten Sekunden seines Lebens füllte sich der Mund mit Blut. Dann schlug er schwer auf.
Das letzte, was er schmeckte, war der Gestank seines eigenen Blutes, das auch nur kurz, dann waren die Schatten des Todes da und zogen ihn in ihr Reich.
Vor der Tür blieb er liegen. Leblos, und er
Weitere Kostenlose Bücher