1123 - Der Terror beginnt
beiden Schöße umwehten ihn, und auch sein Haar blieb nicht ruhig auf dem Kopf liegen. Es war grau oder weiß und wurde leicht in die Höhe geweht.
Ja, mein Vater hatte auch graue Haare gehabt. Daß er hier noch einmal erscheinen würde, nein, das wollte und konnte ich nicht akzeptieren. So etwas durfte es nicht geben.
Die Distanz zwischen uns schrumpfte zusammen. Zu lange durfte ich nicht warten. Ich hatte auch nicht vorgehabt, eine leere Drohung auszustoßen. Ich mußte handeln.
Die Gestalt lief genau auf meine Mündung zu. Er zeigte überhaupt nicht die Absicht, sich zurückzuziehen, er fürchtete sich nicht vor der Waffe, denn er verließ sich auf sich selbst. Locker hielt er die Kettensäge, die schräg nach oben zeigte.
Wie ein Spielzeug kam mir das schwere Ding in seinem Besitz vor. Nur eben ein absolut tödliches.
Ich konnte und wollte nicht mehr länger warten.
Ich schoß!
Trotz des Geräuschs der Kettensäge war es auf dem Parkplatz relativ ruhig gewesen. Mit dieser Ruhe war es nach dem ersten Schuß vorbei. Die Stille wurde förmlich zerfetzt, und ich sah auch, daß meine Kugel getroffen hatte, denn die nächsten beiden Schritte ging er nicht mehr so wie sonst.
Beim ersten zitterte er. Beim zweiten brach er leicht in die Knie. Seine Säge gab einen häßlich klingenden Laut von sich, als wäre sie es, die die Schmerzen spürte.
Ich war auf der Stelle stehengeblieben und auch bereit, noch einmal zu feuern.
Die zweite Kugel konnte ich mir sparen. Mein Gegner dachte gar nicht daran, mich anzugreifen. Er schaffte auch keinen weiteren Schritt mehr. Genau dort, wo er stand, brach er zusammen, und das geschah wie im Zeitlupentempo. Langsam kippte er nach vorn. Es sah so aus, als wollte er hinein in den Nebel fallen und sich dabei noch mit der freien Hand an diesen grauen, treibenden Schals festhalten. Das war nicht möglich, und so griff er ins Leere. Er fiel noch nicht auf den Bauch. Mit der verdammten Säge stützte er sich auf dem Boden ab, die in einem schrägen Winkel gegen das Ziel drückte und plötzlich damit begann, sich in das Erdreich zu fressen.
Ihr Geräusch hatte sich dabei verändert. Ich hörte die Säge wimmern und kreischen, als stünde sie unter einer gewaltigen Qual. Sogar das Zittern des Blatts nahm ich wahr, und die Schneide sägte schräg in die Erde hinein, bis sie von dem Gegendruck gestoppt wurde.
Die Gestalt knickte weg.
Sie fiel.
Und sie blieb auf dem Bauch liegen!
***
Eine Kugel, ein Schuß. Nicht mehr und nicht weniger. Sollte damit alles erledigt sein?
Ich schaute auf den Mann am Boden. Ich hörte die Säge nicht mehr. Ich sah nur diese leblose Gestalt und konnte kaum fassen, was mir da gelungen war.
Eine geweihte Silberkugel nur hatte ausgereicht. Obwohl ich der Sieger war, kam mir diese Lösung zu einfach und beinahe sogar schon lächerlich vor.
Das konnte es doch nicht gewesen sein!
Den Schuß hatte niemand gehört. Zumindest erlebte ich vom Hotel her keine Reaktion. Dort blieb alles still. Kein Fenster wurde geöffnet. Niemand verließ den Bau durch die Tür. Es gab nur noch mich als lebende Person auf dem einsamen Parkplatz, auf dem nur die abgestellten Wagen als Zeugen standen.
Es gibt Augenblicke, da fragt man sich als Mensch, wie es weitergehen soll. Das war auch bei mir der Fall. Was sollte ich unternehmen? Mich bücken, mir den Toten über die Schulter packen und in mein Zimmer schaffen?
Und - war es tatsächlich so einfach, wie es hier den Anschein hatte?
Meine Zweifel wuchsen. Mein Gefühl riet mir zur Vorsicht. Mein Gegner konnte auch versuchen, sich tot zu stellen.
Uns trennten vielleicht drei Meter. Zwischen uns waberte der Nebel in dichten Schwaden. Es war der eigentliche Herrscher auf dem Parkplatz hier. Ich überwand die kurze Distanz, aber ich ließ mir Zeit dabei. An seine linken Seite blieb ich stehen und blickte auf den Körper herab.
Da war nichts mehr, was sich bewegte. Auch die verdammte Kettensäge war verstummt. Zu einem Drittel steckte ihr Blatt in der Erde, in die sie hineingeschnitten hatte.
Der Terror hatte vor drei, vier Nächten begonnen, und nun schien er beendet zu sein.
War es wirklich so simpel?
Ich hatte mich noch nicht getraut, mich zu bücken. Als ich es tat, klopfte mein Herz schneller, und ich war bei meinen Bewegungen sicherlich mehr als vorsichtig.
Der Mantelstoff war feucht. Nebelnässe hatte ihn schon beinahe naß werden lassen.
Ich schüttelte ihn.
Er tat nichts.
Noch hatte ich sein Gesicht nicht
Weitere Kostenlose Bücher