1123 - Der Terror beginnt
dunkle und hochgewachsene Gestalt stand unter der Laterne. Sie war mit einem langen Mantel bekleidet, der nicht geschlossen war. Einen Hut trug der Unheimliche nicht. Doch auch sein Kopf wirkte einfach zu dunkel, um etwas Genaues erkennen zu können. Die Nebelschwaden streiften wie feuchte, dünne Schals an dem Wartenden vorbei, als wollten sie seine Kehle umklammern.
Ich mußte mich an den Gedanken gewöhnen, meinen »Vater« vor mir zu sehen. Ich schaute an der Gestalt hoch und herab, ich maß sie mit den Blicken ab, um Vergleiche zu finden.
Mein Vater war ein großer Mensch gewesen. Er hatte damit über dem Durchschnitt gelegen, ebenso wie ich. Der Vergleich mit der Größe stimmte schon, und das wiederum hinterließ in meinem Magen ein leichtes Kneifen. Ich hatte mich schon oft in verdammt gefährliche Situationen begeben, da war mir letztendlich noch immer eingefallen, wie ich zu handeln hatte. Hier war das anders. Ich sah ihn, aber ich schaffte es nicht, mich vom Fleck zu bewegen. Wie angenagelt stand ich auf der Stelle und wartete auf ein Zeichen des anderen.
Ich fühlte mich auch befangen. Das freie Denken und damit das Handeln war bei mir blockiert. Auf der anderen Seite schien es ähnlich zu sein, bis zu dem Zeitpunkt, als der Fremde seinen rechten Arm anhob und den linken folgen ließ.
In der rechten Hand hielt er die Kettensäge. Das Blatt war blank und schimmerte, als er das Werkzeug drehte. Mit der linken Hand griff er zur Anreißkordel und brauchte nur einmal kräftig zu ziehen, um den Motor zu starten.
Das Geräusch wehte zu mir herüber. Es klang für mich einfach widerlich. Ich bekam eine Gänsehaut, und ich sah, wie der Unheimliche seinen rechten Arm anhob und die Kettensäge schräg nach oben zeigte, wie bei anderen die Mündung einer Waffe.
Für ihn schien das Werkzeug kein Gewicht zu haben, und auch als er sich jetzt in Bewegung setzte, da rann esmir kalt den Rücken hinab, denn er ging wie jemand, der keinen Kontakt mit dem Boden hatte. Trotz seiner normalen Gestalt schien er fleisch- und knochenlos zu sein. Mehr ein Geist oder Spuk, der jetzt über den Parkplatz auf mich zukam.
Das Summen der Kettensäge blieb. Es war eine schreckliche und tödliche Melodie, die ihn umschwebte wie Fliegen den Abfall. Ich wartete noch, ich überlegte, ich suchte nach einem Ausweg, denn ich wollte nicht, daß einer der schlimmsten Alpträume hier auf dem Parkplatz zur brutalen Wirklichkeit wurde.
Ich hörte nur die Melodie der Säge, aber keine Schritte. Er war sich seiner Sache so sicher und dachte nicht daran, die Richtung zu verändern. Schritt für Schritt kam er mir näher, und ich konnte sein Gesicht leider nicht sehen.
Es wurde Zeit, daß auch ich etwas tat, denn zersägen lassen wollte ich mich nicht.
Es waren zwei schnelle Schritte, die mich von der Laterne wegbrachten. Dabei zog ich meine Beretta, denn sie war die einzige Waffe, mit der ich den Unheimlichen auf Distanz halten konnte.
Ich ging noch weiter und blieb ungefähr auf der Mitte des Parkplatzes stehen. Umgeben von den abgestellten Autos, die wie fremde Zuschauer wirkten.
Er hatte sich zu mir herumgedreht, aber er war trotzdem schlechter zu sehen, weil ihn von keiner Seite mehr das Licht der Laternen erreichte. Er ging jetzt wie ein hochgewachsener Schatten durch den wallenden Nebel und blieb nicht einmal stehen.
Das tat ich.
Wie auf dem Schießstand hatte ich die rechte Hand mit der Beretta nach vorn gestreckt. Bisher hatte niemand von uns gesprochen. Ich änderte dies und gab meiner Stimme einen möglichst harten Klang.
»Bleib stehen!«
Es waren die ersten Worte, die er von mir hörte, und tatsächlich unterbrach er seine Schrittfolge.
Aber er stellte den Motor der Kettensäge nicht ab, sondern hob sie noch an, und sie gab ein schon gequält anmutendes Jaulen von sich, das sich anhörte, als sollte ich ausgelacht werden.
»Nicht weiter!«
Er ging trotzdem.
In diesem Moment wußte ich, daß es keinen Sinn hatte, noch eine Warnung auszusprechen. Er würde sich nicht daran halten, und mir würde nichts anderes übrigbleiben als zu schießen.
Aber auf wen!
Auf meinen Vater, der schon längst tot war? Oder auf eine Gestalt, die nur das Aussehen meines Vaters angenommen hatte? Durch meinen Kopf spukten die Zweifel. Ich war hin- und hergerissen und konnte nicht entscheiden, wie ich mich verhalten sollte.
Der andere hatte es da besser.
Er ging einfach weiter. Durch die Bewegung schwang der offenstehende Mantel zur Seite. Die
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