1123 - Der Terror beginnt
gesehen, und wenn ich ehrlich war, ich fürchtete mich auch ein wenig davor. Schon einmal hatte ich in die veränderten Augen meines Vaters geschaut. Da war er tot gewesen, aber er hatte irgendwo trotzdem noch gelebt. Es war zudem zu einem Austausch zwischen ihm und mir gekommen, und so etwas wollte ich nicht noch einmal erleben.
Keine zweite Totenwache halten!
Die Gestalt war schwer. Ich mußte mir schon Mühe geben, um sie überhaupt zu bewegen. Sicherheitshalber hatte ich die Waffe noch nicht weggesteckt, und so half ich mit dem Fuß nach, die Gestalt auf den Rücken zu wuchten.
Es klappte.
Jetzt lag sie vor mir, und ich schaute in das Gesicht hinein, wobei ich das Gefühl hatte, mein Herz hatte das Schlagen einfach eingestellt. War es mein Vater? War er es nicht?
Es war ein Gesicht. Es waren Züge. Es gab eine Nase, einen Mund, es gab Augen, ja, es war alles vorhanden, und ich glaubte auch, meinen Vater vor mir liegen zu sehen.
Und dann hörte ich den Schrei!
Ich hatte ihn nicht ausgestoßen. Er war es gewesen. Zugleich jagte er in die Höhe. So schnell, daß ich nicht mehr ausweichen konnte. Ich bekam einen heftigen Schlag mit seiner freien Hand. Zugleich riß er die Kettensäge aus dem Boden hervor, und er stellte sie auch in Windeseile an.
Wieder hörte ich das Singen!
Dieses schreckliche Geräusch sorgte dafür, daß ich alles vergaß. Ich hatte mich nur zurückschnellen können und schrammte beim Aufprall über den Boden des Parkplatzes hinweg. Noch in der Bewegung gab ich eine zweiten Schuß ab, dessen Echo sich in das hohe und schrille Singen der Kettensäge mischte.
Ich lag, er stand!
Er kam mir übergroß vor, wie ein Riese, der bereit war, alles zu zertreten, was sich in seinem unmittelbaren Umkreis befand. Er war der Tod auf zwei Beinen und sein verdammtes Instrument würde mich in Einzelteile zersägen.
Ich kam wieder auf die Füße.
Aus der Drehung heraus feuerte ich wieder.
Abermals erzielte ich einen Treffer. Mit einem hellen »Pling« prallte die Kugel am Sägeblatt ab, ohne die Waffe allerdings aus der Hand des Killers zu schleudern.
Er hielt sie fest, und er bewegte sich jetzt blitzschnell. So konnte kein Mensch laufen. Er schwebte über den Boden hinweg und wurde zu einem Schemen, der durch seine heftigen Bewegungen den Nebel aufreißen wollte.
»John, wir sehen uns wieder. Ganz bestimmt sogar. Das verspreche ich dir!«
Die Stimme. Himmel, die Stimme! Sie gehörte meinem Vater, und das abschließende Lachen kannte ich auch. Allerdings hatte Horace F. Sinclair nie so hämisch gelacht.
Die Nebelschwaden empfingen ihn mit offenen Armen, als er über den Parkplatz eilte und noch einmal im Streulicht einer Laterne zu sehen war. Da wirkte er plötzlich wie vom Blitz eines Fotoapparates getroffen. Eine Momentaufnahme, mehr nicht.
Dann war er weg!
Es hatte für mich keinen Sinn, die Verfolgung aufzunehmen. Bei diesem Wetter lagen alle Vorteile auf seiner Seite. Mit dem Rücken an einen Wagen gelehnt, blieb ich stehen und wischte den Schweiß von meiner Stirn.
Er war nicht mehr da. Das perverse Singen seiner Kettensäge war ebenfalls verstummt. Wie ein böser Traum war er verschwunden, und ich konnte mir jetzt auch vorstellen, in meinem Bett zu liegen, aber da lag ich nicht, sondern stand mitten in der Nacht auf einem einsamen Hotelparkplatz und ließ mir das durch den Kopf gehen, was ich soeben erlebt hatte. Es war einfach verrückt und unglaublich. Diese Gestalt war aus meinem Traum hervorgestiegen wie ein Dämon, und sie war auch wieder verschwunden, als hätte es sie nie zuvor gegeben.
Ich wußte es besser.
Und ich wußte auch, daß der Kampf zwischen uns noch nicht beendet war.
Wir würden uns wieder treffen, bestimmt unter anderen Umständen, aber mein eigentliches Ziel hatte ich noch nicht erreicht. Ich wußte nicht, ob sich hinter oder in dieser Gestalt tatsächlich etwas von meinem Vater verbarg.
Ja, ich hatte einen Blick in das Gesicht werfen können. Aber ich war mir nicht sicher gewesen, ob es das Gesicht meines Vaters gewesen war. Die Zeit war zu knapp gewesen.
Auf diesem Parkplatz hatte ich nichts mehr zu suchen. Mit müden Schritten, aber innerlich wie unter Strom stehend, ging ich auf den Eingang des Hotels zu. Ich passierte auch die Stelle, in der das Sägeblatt in die Erde eingedrungen war. Der einzige Beweis dafür, daß sich noch jemand außer mir auf dem Parkplatz aufgehalten hatte.
Die Schüsse waren gehört worden. Hinter der Eingangstür des Hotels
Weitere Kostenlose Bücher