1127 - Der Gothic-Vampir
den gelben Teppich an, den die Scheinwerfer in die Dunkelheit bohrten, und das Licht kam ihr plötzlich viel zu schwach vor. Irgendwie fürchtete sie sich vor der tiefen Dunkelheit. Aus diesem Grunde stellte sie das Fernlicht an.
Weg! schoß es durch ihren Kopf. Ich bin weg. Sie lachte plötzlich laut auf und warf ihrem Mann einen Blick zu. Den ersten nach dem Einsteigen. Albert hatte verdammt viel einstecken müssen, und es ging ihm nicht eben prächtig.
Dennoch hatte er sich wieder gefangen und war damit beschäftigt, sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen. Er erkannte auch die Sorge in den Augen seiner Frau und nickte knapp. »Ich glaube, es geht schon wieder.«
»Prima.«
»Hast du mich da rausgeholt?« fragte er.
Suzanne starrte durch die Windschutzscheibe. »Ja, ich mußte den Knüppel nehmen.«
»Danke.«
Die Frau schluckte und zog die Nase hoch. Albert konnte wegen der schwachen Innenbeleuchtung nicht sehen, daß sie rot geworden war und ihre Augen feucht schimmerten. Sie schnitt ein anderes Thema an. »Bleibt es dabei, daß wir nach Alet-les-Bains fahren?«
»Ja, warum nicht? Was sollte uns daran hindern?«
»Du bist gut, Al. Dich hat man geschlagen, du bist verletzt und blutest. Wer weiß, ob du innere Verletzungen davongetragen hast. Du meinst, du hast Glück gehabt, aber so sicher ist das für mich nicht.«
»Aber für mich.«
»Warum?«
»Weil ich es schon probiert habe.« Er bewegte sich jetzt nach rechts, der Tür zu. »Ich kann frei atmen, ohne daß ich zu große Schmerzen habe.«
»Aber du hast welche?«
»Nur geringe.«
Sie glaubte ihm das nicht und hackte auf dem Thema nicht weiter herum, weil sie ihren Mann kannte. Er mochte alles andere sein, aber wehleidig war er nicht.
Es war eine einsame Strecke, die sie immer fuhren, und es herrschte so gut wie kein Verkehr. Auch die Touristen, die oft mit Bussen in diese Gegend gefahren wurden, waren erst später unterwegs. Um diese Zeit gehörte ihnen die Straße allein.
Albert übernahm wieder das Wort. Seine Stimme klang angestrengt, als er fragte: »Hast du den Nackten gesehen?«
»Und ob.«
»Auch genau?«
»Wie meinst du das?«
Albert Petit winkte müde ab. »Egal. Kann auch sein, daß ich mich geirrt habe. Das war ein Verrückter, der irgendwo ausgebrochen ist. Ein Psychopath oder so. Man liest es ja oft. Je älter die Welt wird, um so mehr Durchdreher gibt es. Irgendwann kracht alles zusammen.« Er zog die Nase hoch. »Kann sein, daß auch ich mir den ganzen Mist eingebildet habe. Ich war ja nicht mehr ganz da.«
»Ich habe ihn gesehen, Al!« Suzanne hatte mit sehr ernster Stimme gesprochen. Ebenso ernst war sie auch bei der Sache und konzentrierte sich aufs Fahren.
»Sag es jetzt!«
»Den Vampir!« Suzanne hatte lange überlegt, ob sie die Wahrheit sagen sollte. Es war jetzt geschehen. Sie hatte es hinter sich, und sie fuhr plötzlich langsamer, ohne es so recht zu wollen. Es war ihr auch lächerlich vorgekommen, so etwa zu sagen, doch Al hütete sich davor, zu lachen.
Statt dessen sagte er: »Du also auch?«
Suzanne schüttelte den Kopf, als könnte sie es selbst nicht glauben.
Aber ihre Worte standen im Gegensatz zur Bewegung. »Ja, mein Lieber, ja, ich habe ihn gesehen. Ich habe sein Maul erkannt, seine Zähne darin, es ist alles so wie man es sich immer vorstellt. Jetzt frage ich dich allen Ernstes. Können wir hier von einem Vampir überfallen worden sein? Ist das möglich?«
Al wand sich um die Antwort herum. Er richtete sich auf einen faulen Kompromiß ein. »Ein Scherz, würde ich sagen. Aber ein verdammt mieser.«
»Nein, nein, so darfst du das nicht sehen. Ich glaube nicht, daß sich da jemand einen Scherz erlaubt hat. Er wollte uns. Vampire leben vom Blut anderer. Ist doch klar, daß die Zähne in unsere Hälse gehackt werden sollten…«
»Hör auf, Suzanne. Ich kann nicht mehr. Das ist für mich so irre.«
Albert hob die Arme an und preßte die Hände seitlich gegen den Kopf. »Da komme ich nicht mit. Das gehört alles in das Reich der Fabeln oder Märchen.«
»Glaubst du.«
Er hustete in die hohle Hand. »Gut, wir haben ihn gesehen. Es war ein Vampir. Er hat uns angegriffen. Und wie geht es jetzt weiter? Was können wir tun? Mit wem sollen wir über alles reden? Wir müssen doch sprechen, Suzanne. Ich zumindest kann das nicht für mich behalten. Wir müssen uns Rat holen.«
»Bei wem? Wer glaubt schon an Vampire?«
»Laß den Spott, Suzanne. Wir müssen jetzt daran glauben. Ich denke, daß wir bei
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