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1129 - Das Blutmesser

1129 - Das Blutmesser

Titel: 1129 - Das Blutmesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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passierte genau das, was ich vorher gesagt hatte.
    Sie hoben vom Boden ab, wobei sie sich nicht voneinander lösten. Sie schwebten an der Hauswand in die Höhe und ließen sich vom Dunst an das Fenster herantragen.
    Neben mir hörte ich Michelle atmen und stöhnen. Sie wollte fliehen, aber diesmal hielt ich sie fest. Sie mußte mit dem Unheimlichen und Unerklärlichen konfrontiert werden, um zu merken, daß auch Menschen Kraft hatten.
    »Bitte, Michelle, ruhig bleiben.«
    »Sie werden uns vernichten…«
    Darauf erhielt sie keine Antwort. Aber die Antwort bekam sie von den anderen Gestalten, die wie von einer Welle getragen noch höher am Fenster entlangschwebten.
    Plötzlich standen oder schwebten sie vor uns!
    Zum erstenmal sah ich sie aus der Nähe. Ich konnte mich auf die Gesichter konzentrieren. Automatisch suchte ich nach etwas Bekanntem darin, aber da war nichts zu sehen. Waren es wirklich geisterhafte Gesichter? Oder konnte ich sie anfassen? Streicheln, kneifen, hineinschlagen oder was immer?
    Die waren glatt. Sie waren blaß. Sie sahen künstlich aus, ohne einen Funken Leben, und genau das war auch Michelle aufgefallen. »Es müssen Tote sein, John. Totengesichter, die noch nicht verwest sind. Es sind die Freunde meines Bruders, die ihn geholt haben, und die jetzt auch mich holen wollen. Die Scheibe können wir doch vergessen. Die wird sie nicht abhalten.«
    »Das stimmt.«
    »Was soll ich tun?«
    »Abwarten und auf mich hören.«
    »Meine Güte, du bist von dir eingenommen und…«
    Der Schrei, den sie ausstieß, erschreckte selbst mich, obwohl ich mich auf eine heftige Reaktion eingestellt hatte.
    Michelle schrie und schrie. Sie war vom Fenster zurückgewichen und hatte die Hände gegen die Wangen geschlagen. Der Schrei gellte mir in den Ohren. Ich aber kümmerte mich nicht um Michelle. Sie hatte nur Augen für die Gestalt, die ebenfalls vor der Scheibe erschienen war.
    Ihren Bruder Alain hatte ich nie zuvor gesehen. In diesem Augenblick wußte ich aber, daß er es war. Er hatte das Blutmesser mitgebracht, mit dem er gegen die Scheibe kratzte…
    ***
    Der »Tote« sah schrecklich aus!
    Es gab ein normales Gesicht, das noch menschliche Züge aufwies, aber darin sah ich kein Leben. Das Grau und die Starre überwogen. Es war eine Maske, die man einem Toten abgenommen hatte. Augen ohne Leben, eine Haut so grau und straff und ein Mund, der offenstand. Ein starres Leichengesicht glotzte gegen die Scheibe, aber das war nicht am schlimmsten. Zu diesem Gesicht gehörte noch ein Körper und natürlich auch ein Hals.
    Dort sah ich die Wunde.
    Sie zeichnete sich als langer dunkler Halbmond ab. Er hatte sich die Kehle durchgeschnitten, und diese Tatsache blieb bei ihm auch als Leiche bestehen.
    Sehr tief hatte er hineingeschnitten. Da waren die beiden Hautlappen aufgeklafft und zu den Seiten hin weggedrückt. Die Wunde sah dunkelrot und zugleich bräunlich aus. Mit ihr konnte niemand überleben, aber Alain hatte es trotzdem geschafft, wobei ich von einem Leben nicht reden wollte.
    Es schien ihm Spaß zu machen, sich wie ein Kasper zu bewegen, denn er legte seinen Kopf schräg und öffnete dabei weit seinen Mund. Das Gesicht erhielt einen noch verzerrteren Ausdruck, und seine Augen erinnerten mich an Löcher, die jemand heftig und sehr tief in den Kopf gestanzt hatte. Der Mund zuckte.
    Da traf der Begriff lautloses Lachen zu. Obwohl ich nichts hörte, fühlte ich mich ausgelacht. Zudem schüttelte er noch seinen Kopf, als wäre er der Mittelpunkt eines surrealistischen Theaterspiels oder einer makabren Komödie.
    Und immer hatte er sein Messer. Die Klinge fuhr an der Scheibe entlang, wobei ich mir das Kratzen bestimmt nicht einbildete. Mochte der andere auch ein geisterhaftes Wesen aus irgendeiner fremden dämonischen Dimension sein, das Messer war es leider nicht. Es existierte so, wie es schon immer gewesen war, sogar Blut klebte noch an der Klinge.
    Bisher war nichts passiert, das Michelle und mich in Lebensgefahr gebracht hätte, und so unternahm ich auch nichts. Ich brauchte mich nicht zu wehren, denn niemand griff an.
    Die Gestalten in den rötlichen Kutten gaben ihm Rückendeckung. Sie schwebten hinter dem toten Alain und hielten auch ihre Stangen weiterhin in den Händen. Für mich waren sie Helfer oder Leibwächter, zu denen Alain vermutlich schon zu Lebzeiten Kontakt gehabt hatte.
    Noch immer glotzte er mich an. In Höhe meines Gesichts kratzte die Klinge über die Scheibe, als sollte deren Außenhaut rasiert

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