Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1129 - Das Blutmesser

1129 - Das Blutmesser

Titel: 1129 - Das Blutmesser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
werden. Es war nicht lebensgefährlich, so konnte ich recht gelassen sein. Von Michelle hatte ich auch nichts gehört.
    Ich wollte aber, daß sie zuschaute und dabei auch die Stärke meines Kreuzes erlebte. Schon einmal hatte es mir und ihr geholfen, aber da war sie geistig nicht präsent gewesen.
    Ich ging einen Schritt nach hinten, um mir den nötigen Platz zu verschaffen. Dabei griff ich mit der rechten Hand in die Tasche, in die ich das Kreuz gesteckt hatte.
    »Michelle…«
    Ihren Namen hatte ich halblaut gerufen, aber sie gab mir keine Antwort, obwohl sie mich hätte hören müssen.
    Noch einmal rief ich nicht. Scharf drehte ich mich um.
    Michelle war weg!
    Zuerst wollte ich es nicht glauben. Ich rief auch noch einmal, und es machte mir nichts aus, daß ich dem Fenster meinen Rücken zudrehte.
    Im Atelier war es noch hell genug. Es gab keinen Platz, an dem sie sich hätte verstecken können, aber sie war nicht mehr da.
    Ich machte mir Vorwürfe, weil ich nicht auf sie geachtet hatte. Jetzt war es zu spät.
    Ich drehte mich wieder um.
    Vor der Scheibe wallte der Dunst. Leider nur er. Alain Maron und die verdammten Gestalten waren verschwunden…
    ***
    Michelle hatte ihren Bruder gesehen und war sich vorgekommen wie jemand, der einen harten Schlag erhalten hatte. Dem Anblick hatte sie einfach nicht ausweichen können. Er war so furchtbar gewesen, aber auch zugleich so schrecklich normal. Sein Gesicht hatte sich nicht viel verändert, und auch das Blut am Hals kannte sie, denn sie hatte die Leiche ihres Bruders schließlich gefunden.
    Nach dem ersten Schreck hatte sich Michelle wieder einigermaßen beruhigt. Das Feld überließ sie John Sinclair. Sie selbst ging in die Tiefe des Raumes zurück, um dort zu warten.
    Alain war nicht seinetwegen zurückgekehrt. Es ging ihm einzig und allein um sie. Denn sie hatte schon seit längerem die Stimmen gehört und auch verstanden, was man von ihr wollte.
    Sie dachte an die Zeit, die sie mit ihrem Bruder verbracht hatte. Sie waren bald wie Kletten gewesen, und Michelle hatte Alain oft beschützt. Sie hatten sich Treue geschworen. Sie würden sich nie verfeinden, und Michelle erinnerte sich an die Worte ihres Bruders, der ihr erklärt hatte, daß sie auch vom Tod nicht getrennt werden konnten.
    Er war tot. Er war verbrannt worden, und trotzdem sah sie ihn, wie er einmal ausgesehen hatte. Ein feinstofflicher Körper, der sich nicht verändert hatte. Sie gab sogar zu, sich an diesen Anblick gewöhnen zu können, und seine Stimme war plötzlich wie ein Strahl der Freude, der sie durchschoß.
    »Jetzt hole ich dich, Schwesterlein. Ich habe es dir oft genug gesagt und sagen lassen, aber nun ist es soweit. Ich werde dich holen, meine kleine Göttin.«
    Bei den letzten Worten leuchtete ihre Augen auf. Kleine Göttin hatte er sie genannt. Michelle kannte den Ausdruck. Alain hatte früher ebenfalls so mit ihr gesprochen. Die kleine Göttin war sie für ihn gewesen, und das sah sie als wunderbar an.
    »Ich sehe dich, Alain.«
    »Das ist gut.«
    »Bist du tot?«
    »Nein. Man kann mich nicht einfach töten. Ich habe nur die Seiten gewechselt und möchte, daß du auch zu mir kommst. Dann sind wir wieder vereint. Hier ist es wunderschön. Du hast ein völlig neues Leben. Du brauchst vor nichts mehr Angst zu haben, aber diesen Weg können keine Lebenden gehen, nur Tote.«
    »Ja, ich habe dich verstanden!« hauchte sie. »Was… was… soll ich denn tun?«
    »Das Haus verlassen.«
    »Nein, da ist John…«
    »Vergiß ihn.«
    »Er hat sich um mich gekümmert.«
    »Wie schön. Aber wer von uns beiden ist dir lieber? Er oder ich, meine kleine Schwester?«
    »Du bist es.«
    »Dann verhalte dich auch so. Du brauchst keine Angst zu haben. Der Weg zu mir ist so nah. Du brauchst nur einen kleinen Schritt zu tun und bist schon da. Nur so kannst du das große Wunder erleben.«
    Hätte ihr ein anderer den Vorschlag gemacht, wäre Michelle nicht darauf eingegangen. Aber Alain war ihr Bruder. Trotz seines Ablebens war das dicke Band zwischen ihnen nicht gerissen, und sie war davon überzeugt, sich überwinden zu können.
    Der Blick zu Sinclair hin.
    Er wandte ihr den Rücken zu. Michelle bemühte sich, so leise wie möglich zu gehen, und das behielt sie auch jetzt bei.
    Rückwärts und John Sinclair im Blick behaltend, schlich Michelle zur Treppe. Vor der Scheibe blieb der gespenstische Reigen erhalten. Auch das Totengesicht ihres Bruders war nicht verschwunden, obwohl er den Kontakt mit ihr aufgenommen

Weitere Kostenlose Bücher