1132 - Hexenfalle Bamberg
weißt du über sie, abgesehen davon, daß sie eine sechsfache Mörderin ist?«
»So gut wie nichts.«
»Ach, wie ist das möglich?«
»Ja, ob du es glaubst oder nicht. - Ich habe sie selbst verhaftet. Sie hat hier gelebt, aber sie war wie ein Phantom. Eine schöne junge Frau, die trotzdem nicht aufgefallen ist. Für mich und viele andere ist sie eine Hexe, was sie ja auch bewiesen hat mit ihrer letzten Rede nach der Verurteilung. So können eigentlich nur Hexen sprechen, auch wenn es mir schwerfällt, überhaupt zu glauben, daß es sie gibt.«
»Da kann ich dir andere Dinge sagen.«
»Weiß ich.«
»Abgesehen davon, Bamberg hat schließlich seine eigene Hexenhistorie. Das dürfen wir nicht vergessen.«
»Daran habe ich auch schon gedacht. Ich könnte mir deshalb auch vorstellen, daß wir das Motiv in der Vergangenheit suchen müssen, falls es je dazu kommt.«
»Wie weit müßte man da zurückgehen?«
»Ins siebzehnte Jahrhundert. Und ist nicht dieser Sensenmann, Ludwig von Thann, ein Hexenjäger gewesen, den die Menschen hier aus der Stadt gejagt haben?«
»Klar. Die Hexen spielen eine große Rolle. Ebenso wie der Klerus. Okay, sie hat gemordet. Ich möchte die drei letzten Opfer erst einmal beiseite lassen und mehr über die ersten wissen. Wie du sagtest, waren es Frauen.«
»Ja, recht junge Frauen. Keine war älter als Dreißig.«
»Warum wurden sie getötet?«
Uwe Hinz blickte mich aus großen Augen an. »Genau das kann ich dir nicht sagen, John. Da bin ich überfragt.«
»Du hast sie verhört und…«
Er winkte ab und unterbrach mich. »Ja, das habe ich. Das ist alles auch geschehen, aber sie hat geschwiegen. Bei uns, bei mir und auch vor Gericht.«
»Und die Taten gab sie zu?«
»Sogar lächelnd und voller Freude«, bestätigte der Kommissar. »Aber sie redete nicht über ihre Motive. Mir kommt die Stadt hier schon wie eine Hexenfalle vor. Die Menschen haben Angst gehabt. Niemand traute sich mehr so recht bei Dunkelheit auf die Straße, und alle waren froh, als wir die Mörderin endlich stellen konnten.«
»Wie bist du auf ihre Spur gekommen?«
»Durch eine Zeugenaussage. Es war ein Stadtstreicher, ein Bursche der Wanderschaft, wie er selbst sagte. Er hat sie eines Nachts beobachtet. Sie war dabei, eine Leiche in die Nähe des Flusses zu schleppen. Ins Wasser hat sie die Tote nicht geworfen, sondern in ein Gebüsch gesteckt. Viele Zeugen hätten sich aus Angst verkrochen, nicht dieser. Er hat es geschafft, sie heimlich zu verfolgen, und er hat gesehen, wo sie lebt. In einem schmalen Haus am Fluß.«
»Klein Venedig?«
Er lächelte. »Du hast den Namen noch behalten?«
»So etwas Prägnantes vergißt man nicht. Aber weiter, Uwe.«
»Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Der Mann war zwar kein Freund der Polizei, wie er selbst sagte, in diesem Fall hat er uns jedoch sofort alarmiert. Noch in der Nacht haben Kollegen und ich Loretta Lugner dann verhaftet. Sie lag in ihrem Bett, schaute uns an, als wir hereinkamen, lächelte sogar und ließ sich widerstandslos festnehmen. Danach hat sie geschwiegen wie eine Stumme.«
»Und jetzt ist sie wieder da.«
»Leider.«
»Wo ist sie?«
Uwe Hinz lachte. »Wenn ich das wüßte.«
»Nächste Frage. Wo könnte sie sein?«
»Keine Ahnung.«
»Du hast nicht in ihrer ehemaligen Wohnung nachgeschaut?«
»Doch, habe ich. Leider ohne Erfolg. Ich bin heute morgen dort gewesen.«
»Ist die Wohnung wieder belegt?«
»Nein, wo denkst du hin, John. Da will niemand einziehen.«
»Dann können wir sie uns also anschauen.«
»Sicher. Meinetwegen sofort.«
»Gut, fahren wir…«
***
Monika Hinz saß am Eßtisch und rieb ihre Augen. Sie sah übermüdet aus, was ihrer Mutter natürlich aufgefallen war. Monika war erst nach Hause gekommen, als ihr Vater bereits zum Dienst gefahren war. Elke war einerseits erleichtert, andererseits aber auch ärgerlich gewesen, weil sie ihr Versprechen nicht gehalten hatte.
Jetzt saß Monika am Tisch und starrte auf die Platte, auf der eine blaue Decke lag. Sie nahm auch nicht zur Kenntnis, daß sich Elke ihr gegenüber niederließ.
»Bitte, Monika, du mußt verstehen, daß wir uns Sorgen gemacht haben. Du weißt selbst, daß Bamberg nicht mehr so harmlos ist. Wir waren in Bedrängnis, denn so kennen wir dich nicht.«
»Ich bin erwachsen.«
»Das wissen wir. Aber du hattest uns versprochen, nach Hause zu kommen.«
»Es ging nicht.«
»Dann hättest du zumindest anrufen können.«
Monika zuckte mit den Schultern.
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