1132 - Hexenfalle Bamberg
Ruck durch Ulrikes Körper, und mit einer Kraft, die Monika ihrer Freundin nicht zugetraut hätte, riß sie sich los. Als hätte sie genau auf diesen Zeitpunkt gewartet.
Sie konnte den linken Arm befreien, riß ihn hoch, winkelte ihn an und schlug ihn dann schräg nach unten.
Es war der ideale Treffer. Monika schrie auf, als sie an der Nase und an der Oberlippe getroffen wurde. Die Studentin taumelte zurück. Blut sickerte aus ihrer Nase und auch aus der aufgeplatzten Oberlippe. Auf dem Weg nach hinten stieß sie gegen einen Stuhl, der auf dem glatten Boden ins Rutschen kam, und Monika selbst hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten.
Durch den Schlag war auch ihre Sicht beeinträchtigt worden. Vor den Augen bewegten sich Nebelstreifen. Kalte Luft streifte sie, und genau das riß sie wieder aus ihrem Zustand heraus. Sie schüttelte die Schwäche regelrecht ab, die Gedanken liefen wieder normal, und sie wußte, daß etwas Schlimmes mit ihrer Freundin passiert war.
Monika wischte über ihre Lippen. Sie verschmierte das Blut noch stärker. Das machte ihr nichts aus.
Sie wollte auf keinen Fall ihre Freundin auf das Dach steigen lassen und würde beim nächsten Versuch auch besser achtgeben.
Es war zu spät!
Das Fenster stand weit offen, und Ulrike hatte es geschafft, das Zimmer bereits zu verlassen. Sie war auf das Dach geklettert. Dort stand sie dicht hinter dem Fenster und noch gebückt.
Aber sie richtete sich auf. Langsam schob sie ihren Oberkörper in die Höhe. Nichts passierte überhastet. Sie schien alles im Griff zu haben.
Auf dem Vordach war es zwar dunkel, aber nicht finster. Von der rechten Seite her wurde es von einem Lichtstreifen berührt. So konnte Monika einigermaßen erkennen, was dort ablief.
Ihre Freundin Ulrike drehte sich nach rechts. Es sah so aus, als wollte sie losgehen, aber sie stoppte schon nach dem ersten Schritt. Etwas hatte sie dazu gebracht.
Monika Hinz sah es Sekunden später. Sie hatte ebenfalls auf das Dach klettern wollen, zögerte jetzt jedoch, weil sie plötzlich einen Schock bekam, denn jemand hatte auf Ulrike gewartet.
Das Ding saß direkt am Rand des Dachs. Ein Tier, ein Geschöpf, ein widerliches Etwas, das sein Maul weit aufgerissen hatte. Das Maul wirkte wie ein dunkles Loch, doch innerhalb der Öffnung entdeckte Monika die beiden spitzen Zähne…
***
Monika wußte nicht, was ihre Freundin in diesen Augenblicken dachte. Sie konnte es nur bei sich feststellen. In ihrem Innern spürte sie eine wahnsinnige Angst. Nicht einmal so stark wegen der dort hockenden Gestalt. Es war einfach das Wissen darüber, daß es so etwas überhaupt gab. Ein Geschöpf wie aus einem der Gruselfilme, die öfter in den Kinos und im TV liefen. Mit einer derartigen Gestalt konnte sie nichts anfangen. Ihr war jedoch klar, wie gefährlich sie war, aber das schien ihre Freundin nicht zu bemerken, denn sie ging auf das Geschöpf zu, das einfach nur dort hockte und wartete.
Polizei! Feuerwehr! Die Rettung! Das schoß Monika durch den Kopf, und sie wußte zugleich, daß auch diese drei Institutionen ihrer Freundin nicht helfen konnten. Die Zeit war einfach zu knapp.
Wenn jemand etwas schaffte, dann sie selbst.
Es kostete Monika Überwindung, sich in Bewegung zu setzen. Auch sie hatte Angst um ihr Leben.
Sie kannte das Geschöpf da draußen nicht. Allein vom Aussehen her wies es darauf hin, daß es einem Menschen nicht eben freundlich gesinnt war.
Noch standen sich Ulrike und das kleine Monstrum gegenüber. Die Zeit wollte Monika nutzen.
Vor dem offenen Fenster blieb sie noch einmal stehen. Vielleicht gab es noch eine andere Möglichkeit. Ihr war bekannt, daß man Schlafwandler nicht ansprechen sollte, doch in diesem Fall ging es um mehr, um viel mehr. Noch hielt sich Ulrike nicht an einer zu gefährlichen Stelle auf. Wenn sie erwachte und zusammenbrach, fiel sie zumindest nicht über die Kante hinweg in die Gasse.
»Ulrike…«
Monika erlebte keine Reaktion. Sie glaubte auch, zu leise gesprochen zu haben und versuchte es noch einmal. Diesmal rief sie den Namen lauter, aber auch damit hatte sie kein Glück, denn Ulrike zeigte keine Reaktion.
Es blieb Monika Hinz nichts anderes übrig, als ebenfalls auf das Dach zu klettern. Bevor die kleine Bestie angriff, mußte sie Ulrike erreicht haben. Dann konnte sie die Freundin zurück in das Zimmer zerren. Um die Schmerzen in ihrem Gesicht kümmerte sich Monika nicht. Das war nicht wichtig.
Jetzt zählte Ulrike, deren Lebensfaden immer dünner
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