1133 - Der Mönch mit den Totenaugen
gefühlt. Wie gesagt, ich habe meinen Job getan. Alles andere ist deine Sache. Einen kleinen Bonus könnte ich trotzdem noch gebrauchen.« Er grinste und schielte in Richtung Bar.
Bill verstand. »Die Flasche?«
»Klar.«
»Okay, aber trink nichts, während du fährst.«
»Ja, Dad.«
Die Jacke hatte Looks schon angezogen. Die Flasche versteckte er darunter, und Bill hielt ihm die Tür auf, damit er verschwinden konnte. Vor der Haustür sagte Herby noch: »Viel Spaß weiterhin. Wird nicht ganz einfach für dich sein.«
»Ich weiß.«
Bill blieb so lange, bis Herby auf seinem Roller das Grundstück verlassen hatte. Dann schloß er automatisch das Tor und hörte Sheilas Stimme.
»Endlich ist er weg.«
Bill drehte sich zu seiner Frau hin um. Sie trug einen locker sitzenden Hausanzug aus beigem Kaschmir. »Ja, ich bin auch froh. Du hattest übrigens recht.«
»Womit?«
»Mit dem Geruch.«
»Aha.«
»Knoblauch und…«
»Hör auf. Ich kann darauf verzichten. Was wollte er denn wirklich von dir?«
»Er hat mir Fotos gebracht.«
»Sieh an. Und…?«
Bill winkte. »Komm mit ins Arbeitszimmer.«
»Da bin ich gespannt.« Sheila traute dem Knaben nicht. Herby Looks war ihr immer unsympathisch gewesen, obwohl sie ihn nur zweimal kurz gesehen hatte, doch das hatte gereicht. Sie kannte auch ihren Mann. Bills Gesicht war sehr ernst gewesen. Für sie der Beweis, daß Looks' Besuch nicht grundlos gewesen war.
Auf dem Schreibtisch rückte Bill das Licht wieder zurecht und zeigte seiner Frau die Fotos. »Schau sie dir genau an und sag mir dann, was du siehst.«
»Nichts.«
»Dachte ich auch.«
Sie beugte sich tiefer. Bill gab ihr auch die Lupe und ließ Sheila dann in Ruhe. Es befand sich noch Whisky in seinem Glas, das er leertrank.
»Nein!« flüsterte sie.
»Was sagst du?«
Sheila blieb in der gebückten Haltung. »Bilde ich mir die Gestalt nur ein, oder gibt es sie tatsächlich?«
»Sie existiert. Herby hat sie fotografiert. Er tat es nicht einmal bewußt. Es war mehr Zufall.«
»Wer oder was ist das?« Sheila richtete sich wieder auf.
»Ich kann es dir nicht sagen. Für mich sieht die Gestalt aus wie ein Mönch.«
»Stimmt. Aber einer mit toten Augen. Hast du gesehen, Bill? Da gibt es kein Leben.«
»Das fiel mir auch auf.«
»Er dürfte also nicht leben. Eigentlich nicht. Ein Mönch als Zombie oder so.«
»Und mit einer Sense bewaffnet.«
Sheila schloß für einen Moment die Augen. »Das Sinnbild des Todes«, sagte sie leise.
Bill stimmte ihr nur zu. »Ein Tod auf zwei Beinen, der durch die Einsamkeit eines Güterbahnhofs streifte. Der vielleicht auch morden will, was weiß ich?«
»Du nimmst ihn also ernst?«
»Ich denke schon.«
»Kann das ›Ohr‹ dich nicht reingelegt haben? Einer wie er läßt dich auflaufen, kassiert und…«
»Was meinst du damit?«
Sheila ging auf und ab. »Es ist ganz einfach. Er hat sich einen geholt, ihn verkleidet und ihn wie eine Karnevals-Figur dorthin gestellt. Das könnte so sein.«
»Daran glaube ich nicht.«
»Traust du ihm so sehr?« fragte sie spöttisch.
»Ja, ich traue ihm. Herby Looks mag uns zwar unsympathisch sein, aber reingelegt hat er mich noch nie. Da muß ich ihm Abbitte leisten. Er ist auf seine Art und Weise immer fair zu mir gewesen. Deshalb glaube ich bei diesen Aufnahmen auch nicht an irgendeinen Scherz. Dieses Monstrum ist ihm vor die Kamera gelaufen.«
»Hat er denn erzählt, was er dabei gefühlt hat? Ich meine, er muß ihm doch Auge in Auge gegenübergestanden haben.«
»Hat er nicht«, sagte Bill. »Außerdem sind wir nicht dazu gekommen. Ich besitze die Fotos, er hat sein Geld, und jetzt ist er weg.«
»Wie schön für ihn.« Sheila legte den Kopf schief und schaute ihren Mann lächelnd an. »Mal eine Frage, Bill, kann man Dämonen fotografieren? Vampire zumindest nicht.«
»Du hast recht.«
»Aber er wurde abgelichtet.«
Bill schüttelte den Kopf. »Nicht so, wie es eigentlich hätte sein müssen. Wenn du dir die Bilder noch einmal betrachtest, wirst du alles in seiner Umgebung scharf finden, nur ihn selbst nicht. Seine Gestalt ist verschwommen.«
»Also ein halber Dämon.«
»Wie auch immer. Ich nehme an, daß die Gestalt manipuliert worden ist. Frag mich nicht, wer das getan hat. Von der Hand weisen können wir es jedenfalls nicht.«
Sheila trat zu einem der beiden Fenster und blickte in den Garten. »Im Prinzip sollte es mir auch egal sein, aber das ist es nicht. Es kann etwas auf uns zukommen, und ich möchte dich
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