1133 - Der Mönch mit den Totenaugen
fragen, was du jetzt unternehmen wirst. Du wirst die Sache doch nicht auf sich beruhen lassen, Bill. Dazu kenne ich dich zu gut.«
»Nein, das auf keinen Fall. Ich will mich auch nicht allein da hineinhängen.«
Sheila lächelte. »John Sinclair also.«
»Sehr richtig.«
»Willst du ihm jetzt Bescheid sagen?«
Bill hielt schon den Hörer in der Hand. »Warum denn nicht? Einer wie John ist Tag und Nacht erreichbar. Sagt er zumindest. Und da muß er auch die Folgen tragen.«
»Dann bitte.«
An diesem Abend hatte Bill Pech. John war nicht zu Hause. Auf den Anrufbeantworter wollte er nicht sprechen. Er hätte die Nachricht bis auf den nächsten Tag verschieben können, doch das war nicht Bills Art. Zudem spürte er ein gewisses Gefühl, das immer mehr drängte. Es war wichtig für ihn, wie er sich verhielt, denn diese Gestalt durfte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.
»Willst du es über Handy versuchen?«
Bill war dagegen. »Nein, wer weiß, wobei ich ihn störe.«
»Eben«, erklärte Sheila mit einem vieldeutigen Lächeln. Das bekam Bill nicht mit, denn er war schon dabei, die nächste Zahlenfolge einzutippen. Oft wußte Suko, der zusammen mit Shao in der Wohnung neben John lebte, wo sich sein Freund aufhielt.
Er jedenfalls hob ab.
»Wunderbar, da ist jemand zu Hause.«
»Du Bill. Was gibt's?«
»Eigentlich habe ich John sprechen wollen. Aber bei dir bin ich ebenso gut aufgehoben.«
»Er treibt sich wieder rum.«
»Kneipe?«
»Nein, er trifft sich mit Father Ignatius.«
»Oh, der ist in London?«
»Ja, mal wieder.«
»Gibt es Silberkugel-Nachschub?«
»Auch. Aber es gibt noch einen anderen Grund, wie ich hörte. Die beiden haben sich an einem recht komischen Ort getroffen. Inmitten einer einsamen Gegend.«
»Wo denn?«
»Auf dem Güterbahnhof in einem…«
»Was?« schrie Bill dazwischen. »Was hast du da gesagt? Auf einem Güterbahnhof?«
»Ja.«
»Das gibt es nicht!«
»Wieso? Was ist los?«
Bill ließ sich in seinen Sessel hinter dem Schreibtisch fallen. Auch Sheila hatte bemerkt, welch eine Veränderung mit ihrem Mann vorgegangen war. Sie stand neben ihm und hörte durch den Lautsprecher mit.
In der folgenden Zeit tauschten die beiden Informationen aus und merkten sehr schnell, daß Bill Conolly über einen Fall gestolpert war, mit dem John zu tun hatte.
»Ich weiß nicht einmal, um was es genau geht«, sagte Suko. »Ich wußte nur, daß sich John an diesem ungewöhnlichen Ort mit Father Ignatius treffen wollte.«
»Und er ist ein Mönch.«
»Kann man so sagen.«
»Wie auch diese Gestalt, die ich auf den Fotos gesehen habe. Aber Ignatius war das nicht. Verdammt, Suko, über uns zieht sich etwas zusammen.«
»Was hat dir denn dieser Informant noch gesagt?«
Bill winkte ab. »Zu wenig. Er ist auch dann verschwunden. Aber das macht nichts. Wir haben eine Spur.«
»Kann auch Zufall sein, daß dieser Ort gleich bei zwei Fällen mit ins Spiel kam.«
»Daran glaube ich nicht, Suko.«
»Gut, ich auch nicht.«
»Fahren wir hin?«
»Kennst du den genauen Ort? Oder kennst du dich auf dem Gelände zumindest aus?«
»Nein.«
»John wird sein Handy abgestellt haben, wie ich ihn kenne. Es ist ja noch nicht zu spät. Geh nicht ins Bett. Sollte ich etwas erfahren, gebe ich dir Bescheid.«
»Das wird wohl das Beste sein.«
»Gut, bis später dann.«
Bill drehte sich zu seiner Frau um. Sheila nickte. »Ich habe es mir gedacht.«
»Was denn?«
»Daß du mal wieder mitten in ein Wespennest gegriffen hast, mein Lieber.«
Bill lächelte seine Frau an. »Hast du etwas anderes von mir erwartet?« fragte er.
»Nein, eigentlich nicht…«
***
Alissas Antwort hatte Father Ignatius und mich nicht eben fröhlicher werden lassen. Ich drückte die junge Frau zurück und stellte mich vor sie. Automatisch schaute ich mir meine nähere Umgebung an, um vielleicht eine Spur dieser erwähnten Gestalt zu entdecken, aber ich bekam sie nicht zu Gesicht.
Die Dunkelheit blieb, die Nässe, auch der leichte Dunst, der über das Industriegelände schwebte. In der Ferne klangen Geräusche auf. Etwas bewegte sich kreischend über Metall hinweg. Es hatte für uns nichts zu bedeuten. Es gab auch einen Teil des Güterbahnhofs, in dem gearbeitet wurde. Vielleicht rangiert, beladen, entladen, was auch immer.
Father Ignatius hatte sich von Alissa und mir entfernt. Er wollte die nähere Umgebung erkunden.
Die junge Frau mit dem hübschen weichen Gesicht lächelte mich scheu an. Sie sah aus wie jemand,
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