1134 - Alissas Vater
so beschützt zu werden, auch Aslan bewegte sich nicht. Er gönnte seiner Tochter und sich das Vergnügen des Kennenlernens.
Irgendwann aber drückte er sie sanft zurück. Sie saßen wieder voneinander getrennt und schauten sich gegenseitig an.
»Ich bin dankbar, daß ich dich gefunden habe, Vater.«
»Es mußte einmal so kommen. Ich war mir sicher. Man hat es mir versprochen.«
Seine Stimme klang menschlich. Alissa hatte auch jedes Wort verstanden, aber es war auf der anderen Seite immer mit einem leichten Nachhall verbunden gewesen, als hätte zusätzlich noch eine andere Person gesprochen, die in ihm steckte.
Alissa starrte auf das flache Gesicht mit der grünlichen Haut und dem weißen Gewächs in den Augen. »Wir haben uns gefunden, und ich frage mich jetzt, ob wir auch zusammenbleiben werden. Wirst du mich wieder abgeben und…«
»Nein.« Er hob seine Hand und streichelte sie. »Nein, das werde ich nicht. Ich möchte eine Familie haben, denn du hast nicht nur einen Vater, sondern auch eine Mutter.«
»Die ich nicht kenne.«
»Das wird sich ändern.«
Ein Stoß freudiger Erregung durchzuckte Alissa. »Du… du… weißt, wo ich sie finden kann?«
»Ich habe lange gesucht. Zuerst fand ich dich. Dein Weg hat mich auch indirekt zu ihr geführt. Ich verspreche dir, daß du sie noch in dieser Nacht sehen wirst.«
Das konnte Alissa kaum begreifen. »Dann lebt sie nicht in Italien? Oder müssen wir dorthin?«
»Auf keinen Fall. Wir können hier in London bleiben. Sogar in der Nähe, verstehst du? Sie ist hier. Sie hat Italien verlassen und befindet sich schon lange hier in London.«
»Wie heißt sie?«
»Franca.«
Alissa lächelte. »Es ist ein schöner Name. Ja, er gefällt mir sehr gut. Franca…«, sie lächelte vor sich hin. »Das ist…«, sie holte tief Luft und sprach ein anderes Thema an. »Hast du meine Mutter sehr geliebt?«
Aslan ließ sich Zeit mit der Antwort. »Ja«, gab er schließlich zu, »ich habe sie geliebt. Sie war so schön. Wir hatten ein geheimes Verhältnis. Bei unserem letzten Treffen ist es dann passiert. Sie sagte mir, daß sie ein Kind erwarte. Ich habe mich gefreut, doch die Freude dauerte nur kurz. Andere kamen und nahmen mich gefangen. Sie haben die Verbindung zwischen uns zerstört. Ich habe in ihren Augen schwer gesündigt und sie auch verraten. Ihre Strafe war fürchterlich. Der Kerker bis zum Tod.«
»Wie können Menschen nur so sein?« flüsterte Alissa und streichelte das Gesicht ihres Vaters.
»Es waren die harten Regeln.«
»Aber du hast es geschafft, nicht wahr?«
»Ja, ich habe es geschafft. Ich bin ihnen entkommen, weil ich einen großen und starken Helfer hatte, der dir unbekannt ist, den du aber sicherlich kennenlernen wirst. Ich war würdig genug, und er hat mir geholfen, den Kerker zu verlassen. Ich habe mich an allen rächen können, nur dich habe ich nicht gefunden. Dich nicht und deine Mutter. Erst Jahre später spürte ich dich. Da gab es plötzlich eine Verbindung zwischen uns, die mich zu dir führte. Nun habe ich dich gefunden, und wir beide werden auch deine Mutter finden, um wieder vereint zu sein. Noch in dieser Nacht wachsen wir zu einer Familie zusammen, die dann derjenigen Kraft geweiht werden wird, die hinter mir steht. Ich bin das Schicksal. Der Andere, der Große, hat mich dazu gemacht. Ich bin für viele der Tod, und ich werde es immer bleiben.«
Die Worte des Mönchs hatten Alissa fasziniert. Der Glanz ihrer Augen spiegelte dieses Gefühl wider. Und wieder mußte sie ihren Vater streicheln, bevor sie mit leiser Stimme fragte: »Wann wird es soweit sein, Vater? Wann führst du mich zu ihr?«
»Du wirst allein gehen.«
»Bitte?«
»Ja, du gehst in eine Kneipe, die Golden Sparrow heißt. Deine Mutter ist zusammen mit ihrem Mann die Besitzerin. Sie hat den Wirt geheiratet, nachdem sie Italien verließ. Ich weiß nicht, ob sie an dich gedacht oder dich vergessen hat, aber bald wird sie an dich denken, wenn du dich ihr zu erkennen gibst. Und danach werden wir als Familie wieder vereint sein.«
»Was soll ich ihr sagen?«
»Zunächst nichts. Du wirst dich nicht zu erkennen geben. Denk auch nicht an die anderen Gäste. Nimm irgendwo Platz, und dann wartest du den richtigen Zeitpunkt ab.«
»Ja, ja, aber was tust du?«
»Du wirst mich nicht sehen, Tochter, aber keine Angst, ich werde immer in deiner Nähe sein. Niemand wird dir etwas antun. Sollte er es trotzdem versuchen, wird er an seinem eigenen Blut ersticken. Ich glaube daran,
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