1135 - Cathys Friedhof
Minuten sanken ihre Hände nach unten. Sie stand auf und holte Taschentücher aus ihrer Handtasche. Sie schneuzte sich, wischte die Augen frei und stellte sich an ein Fenster, um durch die Lücken zwischen den Lamellen nach draußen zu schauen. Uns drehte sie den Rücken zu, und wir ließen die Frau zunächst in Ruhe.
Ohne sich umzudrehen, sagte sie plötzlich: »Jetzt suchen Sie seinen Mörder.«
»Ja, Mrs. Monkfort.«
Die Frau mußte lachen. Es klang bitter. »Er war ein Mensch, der keine Feinde hatte. Er hat für sich gelebt. Er kannte nur seine Arbeit. Ausgehen und sich mit anderen Leuten treffen, das kam ab und zu mal vor, war aber nicht die Regel.«
»Hat er sich dann mit einer bestimmten Gruppe von Menschen getroffen?« fragte ich.
Silvia Monkfort drehte sich um. »Ich weiß, worauf Sie anspielen. Auf seine Homosexualität. Ja, mein Bruder war schwul. Aber er hat sich aus der Szene herausgehalten. Sie war ihm zu schrill, zu bunt und zu aufgeblasen.«
»Er hatte also keinen festen Freund?« fragte Suko.
»Nein, nicht in dem Sinne. Mein Bruder war jemand, der eigentlich nur seine Arbeit kannte. Deshalb lebte er ja auch hier. Er wollte keine langen Wege fahren, um Ideen in die Tat umzusetzen. Hier war er immer direkt am Ball.« Sie begann wieder zu weinen. In den folgenden Minuten kam nichts von ihr. Dann entschuldigte sie sich und erkundigte sich auch, ob wir schon einen Verdacht hätten.
»Nein«, gab ich zu, »den haben wir nicht. Für uns war es wichtig, zunächst sein Umfeld zu erleben. Wir sind auch froh, Sie getroffen zu haben, Mrs. Monkfort.«
»Ich weiß nicht…«
»Doch, Sie haben uns schon geholfen, und ich denke, daß Sie uns noch mehr über Ihren Bruder erzählen können. Sie sagten vorhin, daß er sich am liebsten hier in seinem Haus und auch an seinem Arbeitsplatz aufhielt.«
»Das stimmt.«
»Dann wundert es mich allerdings, daß man ihn ganz woanders getötet hat.«
»Wie… wieso?«
Ich berichtete der staunenden Frau, wo ihr Bruder gefunden worden war, und es fiel ihr schwer, das zu begreifen. Sie bekam einen nächsten Schock, und sie riß sich sehr zusammen, um den Tränen nicht wieder freien Lauf zu lassen.
»Können Sie sich vorstellen, Mrs. Monkfort, was Ihren Bruder dorthin getrieben haben könnte? In diesen Graben und…«
»Nein, das kann ich nicht!« schrie sie mich an. »Es ist mir unbegreiflich.«
»Ihr Bruder muß in der vergangenen Nacht ums Leben gekommen sein«, sagte Suko. »Hat er Ihnen vielleicht erzählt, welcher Grund ihn aus dem Haus hier getrieben hat?«
Sie zuckte die Achseln. »Nein, das weiß ich nicht. Ich war ja auch nicht hier. Ich bin nicht immer im Büro oder in der Werkstatt, denn ich führe mein eigenes Leben.«
»Er war weg«, sagte Suko.
»Ja, ich habe ihn auch vermißt, denn wir waren heute morgen verabredet. Wir wollten hier etwas arbeiten. Mein Mann hat Dienst, und ich habe Zeit gehabt.«
»Können wir in sein Büro gehen?«
»Bitte, Inspektor.«
Sie ging vor. Auf dem Weg dorthin begann sie wieder zu weinen. Arbeitsraum, Labor, Büro und Kaffeeküche waren eins. Mit den meisten Geräten und Instrumenten, die hier standen, konnte ich nicht viel anfangen. Ich sah Computer, Festplatten, Teile davon. Meßgeräte, Oszillografen, Tabellen, Diagramme und Skizzen, die auf der breiten und gläsernen Platte des Schreibtischs ihren Platz gefunden hatten.
Silvia Monkfort breitete die Arme aus. »So sieht es hier bei uns aus. Es riecht nach Arbeit.«
Ihre Bemerkung brachte mich auf einen Gedanken. »Ihr Bruder war ein Fachmann und in seinem Job sicherlich gut.«
»Er war sogar mehr als das.«
»Schön. Dann hatte er auch Feinde.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Wenn, dann hat er nie davon gesprochen. Ich bin da überfragt.«
Ich wußte, daß es uns hier im Büro nicht gelingen würde, Spuren und Hinweise zu finden, deshalb erkundigte ich mich nach Monkforts Wohnung.
Silvia winkte ab. »Das ist keine richtige Wohnung, sondern nur ein Zimmer.«
»Wir möchten es trotzdem sehen.«
»Bitte.«
Der Raum schloß sich an das Büro an. Er war nicht groß. Es gab zwei Fenster und nur wenig privates. Ein Bett, auch hier ein kleiner Schreibtisch. In einem Nebenraum waren die Toilette und die Dusche untergebracht. Das Bett war nicht gemacht, und ich schaute mir den kleinen Schreibtisch an, auf dem ein Wochenkalender lag.
Mein Blick fiel auf eine Eintragung, die den gestrigen Tag betraf. Lunch mit Damenbegleitung. Es war auch das Restaurant
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