1135 - Cathys Friedhof
nicht grundlos gesprochen worden waren.
Er wollte zurück und weg von ihr.
Cathy war schneller.
Mit beiden Händen packte sie zu, als er sich schon in der Rückwärtsbewegung befand. Es war ein harter Griff, der seine Schultern umspannte. Die Frau zerrte ihn zu sich heran, so daß er gegen den nackten Körper prallte.
Was ihn vor Minuten noch gefreut hätte, verwandelte sich nun in einen Horrortrip. Er mußte erleben, daß er es nicht mehr mit einem normalen Menschen zu tun hatte. Die Frau hatte sich in eine Bestie verwandelt. Sie war dicht bei ihm, und er spürte, daß er von einem Schleimklumpen oder zumindest von einer schleimigen Gestalt festgehalten wurde.
Ihm blieb die Luft weg, weil sich eine Hand oder etwas anderes auf seinen Mund gepreßt hatte. Eine andere Hand glitt an seinem Körper entlang von oben nach unten. Dabei hinterließ sie eine irre Spur aus Schmerzen. Er konnte nicht mehr anders. Er wollte schreien und brüllen, aber die Klaue auf seinen Lippen brannte ihm den Mund regelrecht kaputt. Es gab keine Chance. Es war vorbei. Etwas fraß ihn auf. Es drang von außen nach innen. Es war da, und er konnte es sich nicht erklären. Bernie sackte in die Knie. Cathy war über ihm, doch sie hatte ihr normales Menschsein längst verloren.
Sie war einfach nur da.
Sie machte weiter.
Sie war grausam.
Bernie litt unter irrsinnigen Schmerzen. Die gesamte Welt war für ihn zu einem Chaos aus Schmerzen geworden. So schlimm, daß er sie nicht aushalten konnte und den eigenen Tod herbeisehnte.
Der ließ nicht lange auf sich warten.
Als sich die Nackte erhob und von ihm abließ, da war Bernie Slade nicht mehr am Leben.
So hatte Cathy ein weiteres Opfer gefunden…
***
Einige Sekunden lang ließ sie sich Zeit. Sie schaute sich um, aber es gab keine Zeugen in der Nähe.
Dieser Platz war ideal gewesen. Sie brauchte den Toten auch nicht an einen anderen Ort zu schaffen.
Sie hob die Arme an und schaute auf die Innenfläche ihrer Hände. Dort zeichnete sich auch jetzt die Schleimspur ab. Sie rann auf die Gelenke zu, und Cathy schüttelte sie ab, daß die Tropfen zur Seite flogen. Mit einem eleganten Sprung erreichte sie die Grabplatte. Sie blieb darauf stehen wie auf einer kleinen Tanzfläche, aber sie bewegte sich nicht, sondern schaute gegen den Himmel, an dem sich der blasse Mond fast als Scheibe abmalte. Ihm präsentierte sie ihren nackten Körper, dem die Kälte der Winternacht nichts ausmachte.
Sie war froh, es geschafft zu haben.
Und deshalb lachte sie.
Niemand hörte den Ausdruck der Zufriedenheit. Mit beiden Händen strich sie an ihrem Körper entlang, der jetzt wie der völlig trocken war. Noch einmal drehte Cathy den Kopf.
Ihr Blick fiel nach unten.
Vor dem Grabstein lag der Tote. Sein Körper sah schlimm aus. Überall verätzt und verbrannt.
»Pech«, flüsterte sie nur. »Dein Pech…«
Wenig später verließ Cathy den Ort des Schreckens…
***
Das Bild des Toten wollte einfach nicht aus meinem Kopf verschwinden. Ich hatte schon viel gesehen, ich würde auch noch viel sehen müssen, aber dieser Mensch mußte auf eine besonders schreckliche Art und Weise ums Leben gekommen sein.
Wir hatten Melvin Monkforts Adresse herausgefunden. Er wohnte in Pimlico, nicht weit von der Themse entfernt. In London herrschte immer viel Verkehr, doch am Sonntag war er etwas weniger, und so kamen wir recht gut durch. Zudem spielte das Wetter mit. Es war zwar kalt, auch leicht trübe, aber es schneite nicht; Schnee und Schneeregen waren erst für die nächsten Tage angesagt.
Man war inzwischen dabei, in- und außerhalb der Geschäfte die Weihnachtsdekorationen anzubringen. Ein Beweis, daß das Fest der gegenseitigen Erpressung nicht mehr weit entfernt war. Noch gut fünf Wochen, dann bimmelten wieder die Glocken, und einige Wochen später rutschten wir in das neue Millennium.
Ich gehörte nicht zu den Leuten, die sich deswegen verrückt machten. Ich hatte auch nicht vor, wie ein Irrer zu feiern. Es war besser, wenn man ganz ruhig ins neue Jahr hineinglitt und alles auf sich zukommen ließ, wie in all den Jahren zuvor auch.
Nahe des Flusses hatte sich Dunst gebildet. Er schwebte wie schwere Watte über dem Wasser und streckte seine Fühler auch in Richtung der beiden Ufer aus.
In London veränderte sich immer etwas. Da kommt man sogar als Einheimischer oft nicht zurecht.
Das war auch hier so. Suko und ich mußten die Adresse suchen.
In einem Gebiet nicht weit vom Nordufer der Themse entfernt hatten wir
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