1137 - Madame Tarock
und ich einige Pizza-Dreiecke angeschnitten hatte, fragte er: »Hast du mich nur wegen der zu großen Pizza kommen lassen?«
»Im Prinzip ja.«
»Klick, klick«, sagte er. »Da ist noch etwas im Hintergrund. Wie ich mich dunkel erinnere, hattest du doch vor, dem guten Bill einen Krankenbesuch abzustatten.«
Er hatte laut sprechen müssen, weil ich mich in der Küche befand und Bier aus dem Kühlschrank holte. Auch Suko würde heute abend eine Dose leeren müssen.
»Ich war auch bei ihm«, sagte ich und stellte Dosen nebst Gläsern auf den Tisch. »Es geht ihm wirklich nicht gut, und so musst er seinen Flug nach Berlin absagen.«
»Berlin? Was wollte er denn dort?«
Ich schenkte Bier ein, was Suko mit einem Heben seiner Augenbrauen nicht eben glücklich quittierte. »Er hatte Sheila mitnehmen wollen. Ein paar Tage im vorweihnachtlichen Berlin hätten ihm gut getan, sagte zumindest Bill.«
Suko, der noch Pizza schluckte, fragte: »Und wo liegt der Haken bei der Sache?«
»Er hatte vor, ein Interview zu führen.«
»Ach. Mit wem denn?«
Ich aß Pizza und trank einen Schluck Bier. »Mit einer Wahrsagerin, die sich Madame Tarock nennt.«
»Auch das noch.«
»Habe ich auch gedacht.« Dann berichtete ich Suko, wie überzeugt Bill von seinem Interview und letztendlich auch von der Frau gewesen war. »Er hat sie wirklich für gut gehalten. Eine Person, die keine Spinnerin ist. Eine echte Wahrsagerin.«
»Warum wollte er denn unbedingt mit ihr reden?«
»Kann ich dir sagen. Einer der vielen Berichte und Voraussagungen, die in diese heutige Zeit passen.«
»Millennium-Zauber«, meinte Suko.
»Daran glaubt Bill eben nicht. Er hält eine ganze Menge von dieser Madame Tarock.«
Suko sah mich grinsend an. »Wie ich dich kenne, sollst du seinen Part übernehmen und so schnell wie möglich nach Berlin fliegen.«
»Ja.«
»Wann startest du?«
»Ich weiß es nicht, obwohl der Flug bereits gebucht ist. Ebenso wie das Hotelzimmer.«
Suko aß weiter. »Das kommt mir zwar seltsam vor, aber es ist schließlich deine Entscheidung, John. Ich will dir da nicht hineinreden.«
»Das solltest du aber.«
»Wieso?«
»Ich will wissen, was du von der Sache hältst.«
Er legte für einen Moment das Besteck zur Seite. »Eines ist sicher, mitfliegen werde ich nicht.«
»Hatte ich mir gedacht.«
»Dann werde ich mich gleich für das Essen bedanken und dir noch einen guten Flug wünschen.«
Genau in diesem Augenblick klingelte das Telefon, und beide saßen wir wie festgeleimt auf den Stühlen. Suko fing sich als erster. »Das hat keinen guten Klang, John, ich fühle es.«
»Mal sehen«, erwiderte ich und hob ab.
Der Anrufer war weit entfernt, doch seine Stimme hörte sich an, als stünde er direkt neben mir.
»Hallo, John, da bin ich ja froh, dich erreicht zu haben.«
»Harry?« antwortete ich fragend.
»Ja.« Er lachte.
»Störe ich?«
»Auf keinen Fall. Ich war nur etwas überrascht, denn mit deinem Anruf hätte ich nicht gerechnet. Was gibt es denn? Alles klar bei dir?«
»Nun ja…«, seine Stimme veränderte sich. »Es könnte schon Probleme geben. Anders und besser gesagt: Es hat bereits welche gegeben.«
Da wußte ich, dass er angerufen hatte, weil er Hilfe brauchte. »Okay, ich bin ganz Ohr, und die Pizza ist sowieso fast gegessen.«
Der Deutsche musste sich räuspern, bevor er loslegte. »Was ich dir jetzt sage, John, klingt unglaublich, aber es ist alles so passiert. Das schwöre ich. Zudem denke ich, dass ich allein wohl überfordert bin…«
Was ich in den folgenden Minuten erfuhr, war in der Tat ein Hammer. Es raubte mir den Atem. Ich hatte jedoch keinen Grund, Harry Stahl nicht zu glauben. Wir beide kannten uns lange genug und hatten manchen Stress gemeinsam erlebt und durchlitten. Ich hütete mich vor Zwischenfragen, um Harry nicht aus dem Konzept zu bringen, und als er schließlich seinen Bericht beendet hatte, waren wir beide zunächst einmal still.
Ich sah Sukos fragenden Blick auf mich gerichtet. Er hatte - wenn überhaupt - von dem Telefonat nur Fragmente verstanden.
»Ich höre nichts, John.«
»Aus gutem Grund. Dein Erlebnis hat mich geschockt.«
»Kann ich mir denken.«
Ich räusperte mich. »Und sie hat nichts gesagt, als sie ging? Dich nicht gewarnt und…«
»Nein, nein, ich muss ihr ja dankbar sein. Sie hat mir das Leben gerettet. Zugleich ist sie eine Mörderin. Ich bin also verpflichtet, ihr auf den Fersen zu bleiben. Einer Mörderin und zugleich einer Person, die vor meinen Augen
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