1137 - Madame Tarock
erschossen wurde und trotzdem nicht tot war.« Er lachte sehr unecht.
»Das kann eigentlich nicht wahr sein!«
»Weißt du mehr über sie?«
»Nein. Nur was sie mir gesagt hat. Aber sie lebt in Berlin, das habe ich herausgefunden. Ich war Rosner auf der Spur. Ich habe ihn verfolgt und auch stellen können. Als dies passiert war, geschah dann folgendes, das ich nicht mehr zu wiederholen brauche.«
»Rosner wollte diese Frau killen?«
»Ja.«
»Und sie ist eine Wahrsagerin?«
»Stimmt auch.« Harry wunderte sich. »Warum fragst du so komisch, John?«
Ich hatte ihm nichts von meinem Besuch bei Bill Conolly erzählt, und er hatte mir auch den Namen der Person nicht genannt. Deshalb überraschte ich ihn mit meiner nächsten Antwort. »Ist es möglich, daß sie Zingara heißt oder Madame Tarock?«
Harry Stahl sagte nichts. Er gab nur Geräusche ab, die aus einem Glucksen bestanden. Vielleicht auch aus einem leichten Stöhnen. So genau konnte ich das nicht unterscheiden, aber seine Antwort war für mich klar.
»Ja«, flüsterte er, »so heißt sie tatsächlich. Verdammt, woher weißt du das?«
Ich lachte leise. »Manchmal gibt es Dinge im Leben, die sehen aus wie Zufälle, doch daran kann ich nicht so recht glauben. Kann durchaus sein, dass es Schicksal ist oder dass Zufall und Schicksal dabei zusammenkommen. Ich kann es dir nicht genau sagen, aber Bill und ich haben von dieser Person gesprochen, daran gibt es nichts zu rütteln. So und jetzt bist du an der Reihe.«
»Was hatte er damit zu tun?«
»Er wollte mit ihr ein Interview führen. Das neue Millennium und so weiter. Aber Bill ist nicht mehr in der Lage. Es hat ihn erwischt. Er ist krank geworden und liegt mit einer Grippe im Bett. So hat er mich gebeten, seine Stelle einzunehmen.«
»Das heißt, du sollst nach Berlin fliegen?«
»Genau.«
Harry lachte wieder, bevor er fragte: »Tust du es oder lässt du es bleiben?«
»Nein, Harry, ich werde fliegen. Ich habe noch mit mir gekämpft, doch nach deinem Anruf habe ich mich entschieden. Ich bin morgen Mittag in Berlin. Da kann ich dort sogar noch die genaue Uhrzeit sagen, damit du mich abholst.«
»Das werde ich auch. Danke.« Er musste wieder lachen. »Das ist der reine Wahnsinn. Aber ich kann auch nicht an einen Zufall glauben. Irgendwie hat das Schicksal es so gewollt, nehme ich mal an. Wann genau landest du?«
»Das weiß ich nicht, aber Bill hat bereits ein Zimmer für mich im Adlon reservieren lassen.«
Harry pfiff durch die Zähne. »Gratuliere, das ist eine Hotel-Legende.«
»Ich hab' davon gehört.«
»Ein tolles Haus.«
»Wir werden uns dort in der Lobby treffen.«
»Dagegen habe ich überhaupt nichts.«
»Noch eine Frage, Harry. Weißt du, wo wir diese Madame Tarock finden können?«
»Ja - schon. Sie hat eigentlich zwei Wohnungen, wobei die eine keine ist. Manche Kunden empfängt sie auf ihrem Hausboot. Es liegt etwas außerhalb der Stadt. An einem Spree-Kanal. Das habe ich inzwischen herausgefunden. Sie steht nicht im Telefonbuch, aber unsere Leute erfahren alles, was sie wollen. Oder fast alles.«
»Klar, brauchst du mir nicht zusagen.«
»Und dann bedrückt mich noch etwas. Ich habe wirklich nicht gelogen, als ich dir gesagt habe, dass sie ihren Kopf drehen konnte, nachdem sie als angeblich Tote auferstanden war. Hast du dafür eine Erklärung?«
»Noch nicht.«
»Sehr gut, dann bin ich nicht allein der Dumme.« Er fuhr fort. »Da fällt mir noch folgendes ein. Wenn du mit Bill über Zingara gesprochen hast, musst du auch wissen, wo die beiden sich zu einem Interview verabredet haben.«
»Da noch nicht klar war, ob ich überhaupt fliege, habe ich ihn nicht danach gefragt. Das wird sich ändern, Harry. Ich kläre dich auf, wenn wir uns in Berlin treffen.«
»Wäre super.«
Wenig später war unser Gespräch beendet, und ich sah, dass Suko mich anschaute. »Da kommen wohl zwei Dinge zusammen, nicht wahr?«
»Ja. Und allmählich glaube ich nicht mehr an einen Zufall, Suko. Irgendwo sitzt eine Macht, die an einem großen Rad dreht, und diese Macht heißt Schicksal.«
»Du fliegst also doch.«
»Jetzt muß ich es.«
»Soll ich mitkommen?«
»Willst du dir dein Wochenende ruinieren?«
»Dienst ist Dienst und…«
»Ich bin ja nicht allein. Zu zweit werden wir uns die Frau mal genauer anschauen.«
»Wie du meinst.«
Ich musste noch mit Bill Conolly telefonieren und ihm sagen, wozu ich mich entschlossen hatte.
Jedenfalls war ich schon jetzt gespannt auf eine Frau, die es
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