1137 - Madame Tarock
mir die Reisetasche abgenommen hatte, betrat ich eine Halle, die mich in eine andere Zeit versetzte. Hier sah ich mich vom perfekten und auch wunderbaren Jugendstil umfangen. Edler ging es nicht mehr, aber es war nicht protzig und überladen. Es war auch nicht kalt, wie ich es von manchen Hallen der Ketten-Hotels kannte. Hier stimmte die Harmonie, und es schwebte über allem der Wohlfühlfaktor, der auch bei der freundlichen, aber keineswegs übertriebenen Begrüßung nicht verschwand.
Ich hatte die Halle schon durchsucht, aber meinen Freund Harry Stahl noch nicht entdeckt. So fuhr ich erst hoch in die erste Etage, in der mein Zimmer lag.
Ein Mitarbeiter begleitete mich und weihte mich in die Geheimnisse des Lifts ein, der sich erst dann in Bewegung setzte, wenn zwei Kontakte geschlossen waren. Zum einen der normale Sensor des Aufzugs und zum anderen der Zimmerschlüssel, dessen Knopf ebenfalls Berührung mit einem bestimmten Kontakt haben musste.
Sehr gut. So kamen Fremde nur schwer hoch in die Wohnetagen. Mit dem Zimmer war ich sehr zufrieden, machte mich noch kurz frisch und fuhr dann wieder nach unten.
Es war noch nicht einmal Mittag. Ich wunderte mich schon darüber, dass Freund Harry nicht erschienen war. Sonst war das nicht seine Art. Alles wurde wieder normal, als ich die Halle betrat und ihn soeben vom Eingang her eintreten sah.
Ich ging an dem alten Brunnen vorbei, bahnte mir einen Weg zwischen den wenig besetzten Sitzgruppen entlang und stand plötzlich so schnell vor ihm, dass er sich erschreckt.
»Na, du altes Haus!«
Harry wurde etwas blass, dann aber fiel er mir um den Hals. »Verdammt, du bist doch schon da.«
»Warum nicht?«
»Bei den Verspätungen der Maschinen.«
»Nicht heute«, sagte ich lachend. »Der Pilot wusste, dass ich gern pünktlich sein wollte.«
»Im Gegensatz zu mir.«
»Das hast du gesagt.«
Wir setzten uns. Bei einem Ober bestellten wir jeweils einen Cappuccino, und dann konnten wir reden. Harry Stahl gab sofort zu, dass ein Problem entstanden war.
»Welches?«
Er räusperte sich. »Ich hatte mir alles so gut vorgestellt. Meine Firma hat herausgefunden, wo diese Madame Tarock zu finden ist. Ihre Wohnung liegt nicht einmal weit von hier entfernt. Ich rief an, aber es meldete sich nur der Anrufbeantworter. Eine neutral klingende Stimme erklärte, dass der Anschluß nicht besetzt wäre und man es später noch einmal versuchen sollte.«
Ich gab die Antwort erst, nachdem unsere Getränke serviert worden waren. »Das begreife ich nicht, denn Zingara hatte doch einen Termin mit Bill Conolly.«
»Eben.«
»Und nun?«
Harry zuckte mit den Schultern. »Da sitzen wir irgendwie im Regen, finde ich.«
»Das ist natürlich dumm…« Als ich sein Lächeln sah, stockte ich und sagte dann: »Du hast bestimmt noch etwas in der Hinterhand - oder?«
»Das habe ich.« Er nickte, weil er den Cappuccino probiert hatte. »Guter Stoff. Davon abgesehen, hat sich die Firma angestrengt. Ich weiß, dass es noch eine zweite Anschrift gibt, bei der wir uns umschauen können. Madame Tarock lebt auf einem Hausboot, wenn sie nicht gerade in der Innenstadt ihre Kunden empfängt. Es liegt am Ufer eines alten Spree-Kanals, und ich denke mir, dass wir uns dort einmal umschauen sollten, wenn du einverstanden bist.«
»Selbstverständlich.«
»Ausgezeichnet.«
»Kannst du Zingara denn erreichen?«
»Nein. Sie umgibt sich eben mit dem Schleier des Geheimnisvollen. Ist ihre Art. Da kann man nichts machen. Es war ja auch so bei Bill. Einen festen Termin haben sie doch nicht ausgemacht oder?«
»Das haben sie nicht.«
»Eben. Also spielen wir den Brunnen und gehen zum Krug.«
»Und du weißt, wo wir das Hausboot finden können?«
»Ich habe alle Vorbereitungen getroffen. Wegen des Verkehrs wird es zwar eine etwas längere Fahrt, aber das lässt sich verkraften. Wenn die Tassen leer sind, starten wir.«
»Einverstanden.«
Wir tranken den Rest aus, ich zahlte den nicht eben geringen Preis, dann verließen wir das Hotel durch einen Seitenausgang, wo Harry tatsächlich einen Parkplatz ergattert hatte, der sogar von einem Hotel-Angestellten bewacht wurde.
Er bekam seinen Obolus, und Harry rangierte den Omega aus der Lücke. Gebaut wurde in Berlin praktisch überall. Das hatte ich schon auf der Hinfahrt festgestellt, und jetzt verhielt es sich nicht anders. Selbst die Taxifahrer kamen in diesem Wirrwarr kaum zurecht, wie mir meiner gesagt hatte.
Ich hatte es mir auf dem Beifahrersitz bequem gemacht
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