1137 - Madame Tarock
du willst.« Zingara fächerte die Karten zusammen und legte sie schräg auf ihre linke Handfläche, die ebenfalls angewinkelt mit der Schreibtischplatte Kontakt bekommen hatte. Sie sagte kein Wort mehr, als sie begann, die Karten zu mischen.
Victor Koss schaute nicht nur zu, er starrte genau hin. Er wollte, wenn eben möglich, jede Mischbewegung verfolgen können. Es sollte keine Tricks mehr geben. Er wollte sich nicht manipulieren lassen, denn er glaubte, daß Zingara ihn reingelegt hatte, weil der Hass aus alten Zeiten noch zu groß gewesen war.
»Ist es gut?« fragte sie und legte die Karten auf den Tisch.
»Nein, mach weiter.«
»Wie du willst. Ich möchte dich nur daran erinnern, dass ich heute noch einen Termin habe.«
»Er interessiert mich einen Scheißdreck!« keuchte Koss. »Du sollst noch einmal mischen.«
»Gern.«
Koss ärgerte sich darüber, dass die Frau ihre Hände so schnell bewegte. Er konnte die Bewegungen nicht mehr genau verfolgen und so erfuhr er nicht, ob sie ihn reinlegte oder nicht.
Dann breitete sie aus dem Mischvorgang heraus blitzschnell die Karten aus, die fächerförmig auf dem Tisch lagen. »Jetzt reicht es dir, oder nicht?«
»Doch, doch.«
Madame Tarock lehnte sich zurück. »Du kannst bestimmen, wie viele Karten ich aufdecken soll. Wir können sie alle legen und so die große Arcade bilden, aber wir können uns auch auf wenige beschränken, wie ich finde.«
»Was heißt das?«
»Drei Karten würden reichen.«
Koss verengte die Augen. »Warum hast du denn bei unseren anderen Treffen so viele genommen?«
»Du hast mich nicht nach den verschiedenen Alternativen gefragt.«
Er überlegte und nagte an seiner Unterlippe. »Gut, ich bin einverstanden. Nimm drei Karten.«
»Danke, Victor, du wirst es nicht bereuen.«
Er lachte nur hart.
»Soll ich sie noch einmal mischen?«
»Nein, es reicht.«
Sie ließ den Mann jetzt zappeln wie einen Fisch an der Angel. »Ich mache dir einen Vorschlag, Victor, und du bist der einzige, dem ich dieses je gesagt habe.«
»Was denn?«
»Ich überlasse es dir, die Karten der Reihe nach anzuheben und sie zu drehen. Ich will nämlich nicht in den Ruf kommen, sie und letztendlich auch dich manipuliert zu haben. Du kannst dein Schicksal also jetzt in die eigenen Hände nehmen, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ich halte mich raus. Einverstanden?«
Koss konnte sich noch nicht entscheiden. Er holte schnaufend Luft und suchte im Gesicht der Wahrsagerin nach einer Arglist, die er nicht entdecken konnte. Nach wie vor hatte sie sich nicht verändert, und sie schaute noch immer mit ihren dunklen, geheimnisvollen Augen über den Tisch hinweg.
Koss hustete in seine Hand. »Ähm - und da steckt kein Trick dahinter?«
»Nein.«
»Gut, dann mache ich es.«
»Sehr schön.« Sie fügte noch ein Lächeln hinzu und breitete die Arme aus.
Auch Victor bewegte sich. Er musste näher an den Tisch heran und drückte den massigen Körper nach vorn. Seine Hand zitterte schon, als sie über den Tisch glitt, und auf dem Handrücken schimmerten Schweißperlen zwischen den gekrümmten dünnen Härchen.
Er zupfte eine Karte aus dem Fächer hervor und zog sie dann bis zur Tischmitte. Noch hatte er sie nicht gedreht, und er wartete auch ab, was Zingara tat.
Sie nickte ihm zu. »Bitte, Victor«
Koss hielt die Lippen geschlossen. In seiner Kehle klang ein Grummeln auf, als er die Karte wieder behutsam anfaßte und dann mit einer schnellen Drehung herumschleuderte, um endlich das Motiv sehen zu können. War es der Tod, der Gehängte oder der Teufel?
»Gut, Victor!« lobte Zingara. »Das hast du ausgezeichnet hingekriegt.«
Erst jetzt traute sich der Gangster, auf die Karte zu blicken. Die Erleichterung sackte wie eine Gewicht durch seinen Körper. Er hatte die Karte der Gerechtigkeit gezogen.
Victor Koss beugte den Kopf tiefer. Er wischte dabei über seine Augen und verteilte auch den Schweiß. Aus seinem offenen Mund drang ein Krächzen, und allmählich sah er das Motiv auf der Karte auch besser und klarer.
Es zeigte die Frau mit der Waage. Sie beugte sich ebenso tief zur rechten wie zur linken Seite hin.
Das Gesicht der Person war ausgeglichen, und plötzlich schüttelte ein Lachen den Körper des Mannes durch. Es war mehr ein Kichern und klang hohl. Er hatte seinen Mund weit aufgerissen, schüttelte den Kopf, hob dann den Blick und sah Zingara an.
»Na, was sagst du nun?«
»Gratuliere.«
»Kannst du auch. Jeder bekommt das, was er verdient.« Er
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