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1137 - Madame Tarock

1137 - Madame Tarock

Titel: 1137 - Madame Tarock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gebildet.
    Zingara trug eine rote Bluse mit weitem, halbrunden Ausschnitt und eine schwarze Wollhose mit ausgestellten Beinen. Um sich gegen die Kälte zu schützen, hatte sie wieder ihren Mantel übergestreift.
    Vom Boot her führte ein schmaler Steg zum Ufer hin, das eine winterliche Wiesenfläche bildete, in der sich einige graue Flecken abzeichneten. Sie war etwas mehr als zwanzig Meter breit. Dahinter begann der Busch. Ein Gemisch aus Hecken und Niederwald. In der Regel ziemlich dicht und nur an wenigen Stellen offen.
    Der Busch bildete eine gute Sichtgrenze. Selbst aus dem zwei Kilometer entfernten Ausflugslokal traute sich kaum ein Gast bis an den alten Kanal heran. Es gab andere Stellen, an denen die Menschen im Sommer ins Wasser gingen.
    Vom Nachbarboot hörte Zingara das Lachen einer Frau. Sie schaute hin und sah die Gestalt der Blondine über den Steg eilen. Ihr Ziel war ein alter Renault 4. Er würde die Frau bis zur S-Bahn-Station fahren. Dort fuhr sie dann zu ihrem Arbeitsplatz irgendwo in der Innenstadt.
    Was sie machte, wußte Zingara nicht. Die Frau hatte mal davon gesprochen, in einem der zahlreichen Call Center zu arbeiten. Ihr Freund blieb fast immer auf dem Boot. Er war Maler und brauchte seine Ruhe.
    Bevor die Blonde einstieg, drehte sie den Kopf und sah Zingara auf dem Deck stehen. Sie winkte ihr zu. »Verdammt kühl heute, nicht?«
    »Es läßt sich aushalten.«
    »Dann bis zum Abend. Oder bist du nicht mehr da?«
    »Ich kann es dir nicht sagen. Mal sehen. Viel Spaß.«
    »Ha.« Sie lachte. »Du hast gut reden. Aber man muß ja zu Geld kommen. Otto E. hat da seine Schwierigkeiten.«
    Mit Otto E. war ihr Freund gemeint. Sie sprach ihn nur so an, weil er seine Bilder auch so signierte.
    Nach einigen Versuchen sprang der Motor des alten R4 endlich an. Er stieß eine dicke Wolke aus, und die Blonde rollte langsam davon. Wie fast jeden Tag, wie immer. Es war alles so normal, aber Madame Tarock traute dem Frieden nicht.
    Sie blieb an Bord stehen, schaute in das Gelände hinein und überlegte. Wie würde der Tag ablaufen? Was ergab sich aus den Vorfällen der nahen Vergangenheit? Wie würde Koss reagieren, wenn er vom Tod seines Killers erfuhr? Für Zingara gab es nicht den geringsten Zweifel, dass Koss ihr diesen Mann geschickt hatte.
    Victor würde etwas unternehmen, das stand für sie fest. Er war niemand, der sich die Butter vom Brot nehmen ließ. Wenn bei ihm einmal eine Grenze überschritten war, dann drehte er durch. Dann vergaß er alles, auch jegliche Vorsicht, was einzig und allein seinem Temperament zuzuschreiben war. Zingara war keine Person, die in die Zukunft sah und sagen konnte, wie der Tag ablief. Auch nicht, wenn sie ihre Karten befragte, doch von der Logik her konnte es Schwierigkeiten geben.
    Dann kam noch etwas hinzu.
    Sie erwartete Besuch aus London. Sie hatte einem Reporter namens Bill Conolly ein Interview zugesagt. Zunächst hatte sie sich dagegen gewehrt, aber dem Mann war es gelungen, aufgrund seiner Geduld und auch seines Charmes, sie zu überzeugen, und so hatte sie schließlich zugestimmt. Er würde an diesem Morgen in Berlin eintreffen und auf ihren Anruf warten.
    Gegen Mittag wollten sie sich treffen. Zingara wusste nur noch nicht, ob sie im Hotel bleiben oder ihn in ihre Wohnung lassen würde. Das würde sich dann ergeben, wenn die ersten Sätze gesprochen waren und das Eis zwischen ihnen gebrochen war.
    Noch hatte sie Zeit. Sie wollte so lange wie möglich die Stille genießen, die diese Umgebung ihr bot. Es war für sie einfach wunderbar, im Einklang mit der Natur zu sein, denn sie allein zählte für eine Frau wie Zingara. Die Großstadt war nichts für sie, aber sie war gut für das Geschäft.
    Es lief, und das Geld auf ihrem Konto vermehrte sich ziemlich rasch. Jeder Kunde akzeptierte die Exklusivität und demnach auch ihre Honorare.
    Auf dem Nachbarschiff erschien Otto E. Er war ein knochiger Typ mit einem länglichen Kopf, graublonden Haaren und einem Bart in der gleichen Farbe. Er hatte eine dünne Lederjacke um seine Schultern gestreift und die Hände vor der Brust verschränkt. So schaute er in die Gegend, wie jemand, der auf Motivsuche ist. Dabei malte er nicht konkret, sondern sehr abstrakt, Er probierte vieles aus, und hatte seine Freundin auch schon mit Farben beschmiert, um sie danach nackt über die Leinwand zu rollen. Das war dann ein besonderes Kunstwerk gewesen.
    Er winkte ihr jetzt zu. Zingara verstand die Geste und ging zum Heck ihres

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