114 - Sylphidas Rachegeister
Vielleicht - nur in Navan, wer weiß... Tag für Tag ein Sarg!«
Pater Patrick seufzte und fuhr sich mit der
rechten Hand über die Augen. »Was hat das alles zu bedeuten, Reef ?«
»Ich hatte eigentlich gehofft, es von Ihnen
zu erfahren, Pater«, antwortete der Maler matt. Er fühlte sich schwach und
elend, und der Mann in der Kutte sah es ihm an. »Ist Ihnen nicht gut ?« fragte er besorgt. »Sie sehen krank aus, Reef .«
»Ich habe die letzten beiden Nächte kaum
geschlafen. Das ist alles .«
Ehe Andy Reef sich’s versah, faßte Pater
Patrick seine Hand und fühlte den Puls. »Er schlägt etwas zu schnell .« Dann legte er seine Hand auf Reefs Stirn. »Sie sehen blaß
aus und Sie haben Fieber .«
»Mir ist etwas warm, richtig, Pater. Ich gehe
ins sechste Lebensjahrzehnt. Da gibt es schon mal Tage, an denen man nicht so
fit ist wie an anderen. Bei diesem Nebelwetter macht eben der Kreislauf nicht
immer mit .«
»Hatten Sie das schon öfter ?«
»Nein. Aber irgendwann fängt alles an .«
Pater Patrick war mit dieser Einstellung Andy
Reefs keinesfalls einverstanden. »Sie sollten solche Sachen nicht auf die
leichte Schulter nehmen, Reef. Gehen Sie zum Arzt, lassen Sie sich gründlich
untersuchen - und dann begeben Sie sich auf dem schnellsten Weg nach Hause,
legen sich ins Bett und kurieren sich aus! Ich werde im Lauf des Tages noch mal
nach Ihnen sehen. Wenn es Ihr Zustand erlaubt, werden wir über den gesamten
Fragenkomplex noch mal gründlich reden. Daß ich jetzt keine Zeit habe, bedaure
ich sehr. Aber Missis Flannagan ... Sie verstehen. Ich kann sie jetzt in ihrem
Schmerz nicht allein lassen. Ich muß gehen, sie wartet auf mich. Außerdem wird
die Polizei ungeduldig .«
»Polizei?« Mit dieser Frage auf den Lippen
wandte Reef sich um. Erst jetzt erblickte er den Polizeiwagen in der
abbiegenden Gasse. Zwei Beamte saßen im Auto und warteten auf die Abfahrt des
Leichenwagens.
»Ja, sie mußte verständigt werden«, vernahm
Reef wie aus weiter Ferne die ruhige, angenehme Stimme des Paters. »Der
plötzliche Tod Henry Flannagans muß untersucht werden... Es könnte schließlich
auch ein Verbrechen vorliegen. Die gerichtsmedizinische Untersuchung wird noch
am Vormittag stattfinden. Die Leiche ist beschlagnahmt .«
●
Das Hotel »Royal Scout« lag in der Innenstadt
von Drogheda. In diesem Haus hatte Fred Lansing Unterkunft genommen.
Die attraktive Blondine, die am späten Morgen
dieses regnerischen Tages schnell den Aufgang zum Hauptportal hochkam, zog die
Blicke der Männer auf sich.
Die langbeinige Fremde bewegte sich mit der
Eleganz eines Mannequins auf dem Laufsteg. Keiner der Arbeiter, die drüben an
einem Kanalschacht zu tun hatten, ahnte, wie nahe sie mit ihren Gedanken der
Wirklichkeit kamen. Die Blondine mit dem aufregenden Gang war tatsächlich Von
Beruf Mannequin gewesen, ehe sie durch ein unheimliches Erlebnis mit einer
Organisation namens »PSA« in Berührung kam. Ihr Mut, ihre Entschlossenheit, ihr
Einfühlungsvermögen ... das alles hatte dazu beigetragen, daß X-RAY-1 sich
seinerzeit entschloß, Morna Ulbrandson in die Reihen der Agentinnen
aufzunehmen. Sie erhielt die Deckbezeichnung X- GIRL-C.
Auch davon ahnten die drei Männer an dem
Kanalschacht nichts.
Zwei befanden sich außerhalb und mischten mit
einer vorsintflutlichen Betonmaschine Zement, Sand und Kies, der in einen
Schubkarren gefüllt wurde.
Der Arbeiter, der den Schubkarren schob,
wurde ebenso auf die blonde Frau aufmerksam wie seine Kollegen.
Sie vergaßen einen Moment ihre Arbeit.
Der an der Mischmaschine versäumte, Wasser
nachzufüllen. Er hielt den halbgefüllten Eimer schräg, und der kalte, flüssige
Inhalt ergoß sich über seine Schuhe.
Der andere, der den Schubkarren zum Schacht
drückte, wandte den Kopf in Richtung Morna Ulbrandson und lief bis vors
Erdloch, wo im gleichen Augenblick wegen des erstaunten Pfiffes der dritte der
Arbeiter alarmiert wurde, der sich ebenfalls die aufregende Erscheinung nicht
entgehen lassen wollte.
Er hatte jedoch kein Glück.
Der Schubkarrenfahrer war dicht vor ihm und
hielt den bis zum Rand gefüllten Karren so schief, daß der graue Inhalt
darüberschwappte.
Der Mann im Schacht setzte zum Pfiff an. Der
Ton aber wurde zu einem unartikulierten Gurgeln, dem sich ein ellenlanger Fluch
anschloß.
Der Mörtel war dem Mann im Schacht auf den
Kopf und ins Gesicht geklatscht. Er verdeckte seine Augen, und ehe der
Schubkarrenfahrer merkte, was er angerichtet hatte, war der
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