114 - Sylphidas Rachegeister
Küstenstreifen, der aussah,
als wäre er von einer riesigen Egge umgepflügt worden. Der Boden war
aufgeworfen, überall lagen mehr oder weniger große Steine herum, und die
Klippe, die rund siebzig Meter in die Höhe ragte und auf der sich ein Plateau
befand, sah aus, als wäre sie mit wuchtigen Meißelschlägen von der Hand eines
Riesen aus dem Felsen gehauen worden.
Besonders das Plateau, auf dem die Hütte
stand, war eine Besonderheit, wie sie nirgends mehr an der ganzen Küste vorkam.
Gwellyns Hütte hing dort mitten im Felsen,
windgeschützt durch eine vorspringende Mauer und geduckt in die Ausbuchtung.
Es war ein Holzhaus mit rotem Dach und
kleinen Fenstern, deren Rahmen weiß gestrichen waren.
Zum Haus führte keine Straße, auf der ein
Auto hätte fahren können.
Vor der Bucht mußten Larry Brent und sein
Schweizer Kollege den Mercury abstellen und dann zu Fuß gehen. Der Pfad nach
oben war steil und beschwerlich, dazu kurvenreich. Aus verwittertem Felsgestein
wuchsen Grasbüschel und Bäume, die ihre flachen Wurzeln immer tiefer ins poröse
Gestein trieben.
Das Plateau vor dem Holzhaus war wie eine
natürliche Terrasse, notdürftig mit einigen Eisenpflöcken gesichert, zwischen
denen sich ein niedriger Maschendrahtzaun spannte.
Von hier oben hatten die beiden Besucher
vollen Blick in die Bucht, in der zwei Fischerboote vertäut lagen. Zwei uralte.
Eines davon war aufgebockt und wurde offenbar neu geteert und gestrichen.
Der Wind blies heftig, aber er schaffte es
nicht, die Nebelschleier zu vertreiben, die tief und milchig über der See lagen
und in die Bucht getrieben wurden.
Der Spätherbst machte sich bemerkbar, auch in
dem kalten Wind, der über die See fegte, in die lockeren Dachziegel fuhr und
das Gebälk ächzen ließ.
Die Tür schloß nicht hermetisch und wurde vom
Wind heftig gerüttelt.
Larry Brent warf einen Blick durch das kleine
Fenster neben dem Eingang. Es war der Blick in die Küche. Sie war leer. Auf
einem klobigen Tisch stand benutztes Geschirr.
Über der Tür hing eine Messingglocke, an
deren Klöppel ein dickes Tau befestigt war.
Peter Pörtscher betätigte das Seil. Hell
erklang die Glocke. Aber es kam niemand, der ihnen die Tür geöffnet hätte.
Demnach war auch Jonathan op Gwellyn nicht
von der Reise zurückgekehrt oder er war ausgeflogen.
X-RAY-3 legte mechanisch die Rechte auf die
Klinke und drückte sie probehalber.
Was geschah, hatte er eigentlich nicht
erwartet.
»Die Tür ist überhaupt nicht abgeschlossen !«
Er drückte sie vollends auf. Dahinter befand
sich ein dunkelbrauner Vorhang aus dichtgewebtem, schweren? Wollstoff. Damit
hielt op Gwellyn den kalten Wind ab, der durch die Ritzen fuhr.
»Mister Gwellyn?!« Larry rief einige Male den
Namen des Fischers, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten. Dies bestätigte den
gewonnenen Eindruck, daß der Mann nicht im Haus war.
Das Haus bestand aus einer Küche, einem
winzigen Wohnraum, in dem alte Möbel standen, und einer Schlafkammer. Ihr
Fenster ging zur dunklen Felswand hinaus.
Küche und Wohnzimmer wurden von uralten
Kanonenöfen geheizt. In einer Ecke war trockenes Holz gestapelt. Ein Korb mit
Briketts stand dort, die op Gwellyn aus der Stadt mitgebracht hatte. Das
Preisschild klebte noch an der Außenseite des Behälters.
Larry Brent und Peter Pörtscher schalteten
ihre Taschenlampen ein.
In jedem Raum standen Kerzen und lagen
Streichhölzer herum. Im Wohnzimmer erlaubte op Gwellyn sich den Luxus einer
Petroleumleuchte und eines batteriebetriebenen Radiogerätes.
X-RAY-3 schaltete es an.
Die Membrane des kleinen Lautsprechers war
beschädigt. Es knisterte und rauschte. Die Musik - irische Folklore - hörte
sich kläglich an, und Larry stellte das Gerät schnell wieder ab.
Jonathan op Gwellyn hatte sich mit dem
unbedingt Notwendigen umgeben. In diesem Haus gab es keinen Luxus. Selbst das
Wasser für die alte, emaillierte Badewanne mußte aus der Pumpe hinter dem Haus
geholt werden.
Außerhalb befanden sich auch die Hütte für
die Toilette und ein windschiefer Schuppen.
Während Pörtscher durch die Hintertür das
Haus des abwesenden Fischers verließ, sah X-RAY-3 sich im Wohnzimmer um, in dem
- abgesehen von der fehlenden Wärme - eine gewisse Behaglichkeit trotz aller
Einfachheit herrschte.
Auf dem Sofa lagen prallgefüllte Kissen, alle
Wände ringsum waren vollgehängt mit Bildern.
In erster Linie handelte es sich um
Fotografien, die zum Teil sehr alt und vergilbt waren, so daß kaum noch
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