114 - Sylphidas Rachegeister
einmal auf dem Rückweg.
Aber auch damit noch nicht genug.
Reef wurde zusehends schwächer und
hinfälliger.
Mit seinem Organismus geschah etwas, das er
selbst nicht begriff und das sein Hausarzt nur als gewöhnliche Überarbeitung
und Erschöpfung hinstellte.
Der Maler folgte einem plötzlichen Ruf und
fuhr in dem Wagen, der zuvor jeglichem Startversuch widerstanden hatte, zum
Ziel.
Hier erwartete ihn Evalie. Was sie ihm
mitteilte, erfaßte er nicht mal, würde wahrscheinlich erst dann zum Tragen
kommen, wenn ihm die Stunde schlug und er erkennen würde, daß er schon viele
Besuche in Gloghtonny-Castle gemacht und hier seine Inspirationen über Tim Aill
und Hy Breasil empfangen hatte.
Alles Teile eines gewaltigen Puzzles! Paßten sie
zusammen oder waren es nur Einzelschicksale, die nicht miteinander verknüpft
werden konnten?
Noch war nichts entschieden, aber Morna
Ulbrandson war bereit, anzunehmen, daß alles in einen Topf gehörte und zur
Strategie eines Wesens, das nicht von dieser Welt stammte, die Menschen aber
haßte.
Evalies Stimme hatte sich entfernt. Sie war
jetzt so leise, daß sie kaum noch zu hören war.
Evalie war mit dem kranken Maler, den seine
Besuche in der Geisterwelt offensichtlich aufzehrten, weitergegangen.
Ein langer Korridor führte in den Südflügel
des Castle.
Auf Zehenspitzen verließ Morna ihren
Lauscherposten und lief von Säule zu Säule des Bogenganges, der den Turm mit
dem Südflügel des Castle verband, wo es noch mehrere Zugänge zu anderen Türmen
gab. Die Korridore mündeten sternförmig auf eine fast kreisrunde Halle, was ein
völlig ungewöhnlicher Baustil war.
Die Nischen und Säulen aber boten der
Schwedin hervorragenden Sichtschutz.
Evalie und Andy Reef waren ihren Blicken
entzogen, weil sie in einem abknickenden Korridor verschwunden waren.
Als sie selbst dort ankam, sah sie nur noch
eine Person.
Und das war - Andy Reef!
Morna Ulbrandson stoppte sofort den Schritt.
Hatte das Geistermädchen Evalie etwas bemerkt
und verbarg sich hinter einer Säule oder in einer Fensternische?
So sehr X-GIRL-C sich auch anstrengte, sie
konnte niemand sehen.
Demnach war Evalie hinter einer der Türen
verschwunden, die zahlreich auf diesen Korridor mündeten.
Hinter einer erscholl Klaviermusik. Jemand
spielte virtuos eine Sonate.
Andy Reef ließ sich davon weder beeindrucken
noch aufmerksam machen.
Er setzte seinen Weg fort und näherte sich dem
Korridorende, wo eine Treppe nach unten führte.
Morna Ulbrandson war einen Moment
unschlüssig.
Sollte sie Reef auf den Fersen bleiben oder
versuchen, herauszufinden, wohin Evalie sich begeben hatte? Sie erinnerte sich
an das leise Klappen einer Tür, und es konnte ohne weiteres sein, daß Evalie in
jenem Moment in einem der Räume verschwunden war.
Andy Reef - wie in Trance - schien jedoch
seinen Weg genau zu kennen und wunderte sich nicht, daß er allein war.
Die Entscheidung wurde der Schwedin
abgenommen, als es hinter der Tür mit der Klaviermusik zu einem häßlichen
Mißton kam, als würde der Pianist seine Hände einfach auf die Tasten fallen
lassen.
Gleichzeitig war eine Stimme zu hören, die
wütend schrie.
»Ich kann dich nicht verstehen, Shelby! Du
sitzt hier an deinem Instrument und guckst selbstvergessen in die Gegend - und
ich ängstige mich zu Tod !«
»Aber, liebste Margie«, antwortete ruhig und
gelassen ein Mann, und die Stimme war eine Wohltat zu der hellen, hysterisch
klingenden, die eben noch geschrien hatte. »Das ist wirklich unnötig. Ich kann
deine Nervosität nicht verstehen .«
»Oh, Shelby! Ich fahre aus der Haut, wenn das
so weitergeht. Seit Tagen liege ich dir in den Ohren, daß es hier im Castle
nicht mehr mit rechten Dingen zugeht. Und du sagst, es gibt keinen Grund, um
nervös zu sein .«
»Den gibt es auch nicht, meine liebste
Margie. Gespukt hat es auf Gloghtonny-Castle schon immer - aber mit diesem Spuk
kann man leben, er tut niemand etwas zuleide. Was ist dabei, wenn gelegentlich
Türen klappern oder Schritte zu hören sind, wenn aus den Wänden Klopfzeichen
kommen. Daran solltest du dich längst gewöhnt haben .«
»Daran habe ich mich auch gewöhnt, und es hat
mir nie etwas ausgemacht. Aber seit einiger Zeit begegne ich öfter dieser
seltsamen weißen Frau .«
»Auf Gloghtonny-Castle hat es nie eine weiße
Frau gegeben und gibt es auch jetzt noch keine. Ich habe sie merkwürdigerweise
nie gesehen. Wenn eine weiße Frau hier herumläuft, kann es sich nur um Bellinda
handeln. Sie
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