1143 - Grabmal des Grauens
und ab, den Hörer gegen das rechte Ohr gedrückt. Sie hörte, dass der Ruf durchging, aber es hob niemand ab. Okay, es kam schon mal vor, dass sich Dario Zeit ließ, an diesem Abend meldete er sich nicht.
Das musste nichts zu sagen haben. Nach ihrem Erlebnis allerdings sah Marion die Dinge mit anderen Augen, und sie versuchte es mit einem zweiten Anruf.
Wieder blieb es still.
Langsam sank die Hand mit dem Hörer nach unten. Ein ungutes Gefühl hielt sie plötzlich in seinen Fängen.
Da stimmte etwas nicht!
Es kam nur selten vor, dass Dario am Abend wegging. Einmal im Monat traf er sich mit seinen Künstlerfreunden. Das Treffen fand erst in der folgenden Woche statt. Am heutigen Abend wollte er zu Hause bleiben.
Wie eine Fremde stand Marion im Zimmer und achtete auf die Kälte, die wie von zahlreichen Spinnenbeinen getragen durch ihren Körper rann. Sie hatte in diesen langen Augenblicken alles ausgeschaltet. Die Ratio gab es nicht mehr bei ihr. Es wollten keine normalen Gedanken mehr kommen. Sie konnte nur an die Entdeckung des Schattenbeils denken.
Einen dritten Anruf traute sich Marion nicht mehr zu. Das hatte alles keinen Sinn mehr. Es wäre noch die Möglichkeit gewesen, zu Dario hinzufahren. Es hätte ihr auch nichts ausgemacht, wenn alles normal gelaufen wäre. Doch das war nicht der Fall. Etwas anderes, für das sie keine Erklärung hatte, war dabei, sich in ihr Leben zu schleichen, und sie konnte sich gut vorstellen, dass dies erst der Anfang gewesen war.
Schlimmeres würde folgen.
Sie hob das Glas an, wollte trinken und wunderte sich darüber, dass nichts mehr im Glas war. Ohne es zu merken, hatte sie es geleert. Nur ein müder Tropfen rann noch ihrer Kehle entgegen.
Einen weiteren Drink?
Marion entschied sich dafür. Nicht mehr so viel. Lieber nur die Hälfte.
Auch jetzt war sie mit den Gedanken nicht bei der Sache. Fast hätte sie den Martini verschüttet, so sehr zitterte die Flasche in ihrer Hand.
Sie schloss für einen Moment die Augen. Es war wichtig, dass sie nachdachte. Nur nicht verrückt machen lassen.
Es konnte und würde sich alles aufklären, und das auf einem nachvollziehbaren Weg.
Eigentlich hatte sich Marion Hopper das Rauchen abgewöhnt. Nur ganz selten griff sie zur Zigarette. Jetzt war dieser Moment gekommen.
Aus einer Schachtel holte sie den Glimmstängel hervor. Daneben lagen die Streichhölzer. Die Flamme tanzte auf, erfasste den Tabak, und Marion sah alles wie verlangsamt. Sie wusste auch nicht, woher es kam, aber es war so. Als hätte eine fremde Kraft nach ihr gegriffen. Als das abgebrannte Streichholz im Ascher landete und sie den ersten Rauch ausstieß, ging es ihr nicht besser. Noch immer kam sie sich in einer veränderten Umgebung vor. Das Licht schien nicht mehr so hell, der Rauch trieb durch das Zimmer, doch das konnte es nicht sein.
Marion legte die Zigarette ab. Sie hatte etwas gesehen. Nicht direkt in ihrer Nähe, sondern dicht vor dem Fenster. Dort war eine Bewegung erfolgt.
Ein Huschen?
Sie ging nicht hin, denn wieder überfiel sie die unerklärliche Angst.
Aber sie konnte auch nicht fliehen. Etwas musste sie auf der Stelle bannen.
Plötzlich sah sie es. Es war da, und es war diesmal nicht plötzlich erschienen.
Wieder dieser verdammte Schatten.
Wieder das Beil.
Doch diesmal anders.
Zumindest hatte sich die Klinge verändert. Sie schien sich zu bewegen, aber das war es nicht, denn es bewegte sich etwas von der Klinge und fiel ins Leere, obwohl es so aussah, als würde es den Boden berühren.
Tropfen dick wie Blut…
Marion Hopper konnte einfach nicht nachdenken und nur starren. Das verdammte Beil war als Schatten so groß, dass er vom Fußboden fast bis unter die Decke reichte. Eine mächtige Axt mit leicht gekrümmtem Stiel, dessen Ende unter der Decke zerfaserte.
Nach einer Weile schaffte Marion es, sich wieder zu bewegen. Sie presste ihre Hände gegen die Wangen. Sie konnte einfach nicht anders, sie musste ständig auf die Schattentropfen starren, die sich von der Beilklinge lösten.
Sie fielen ab und verschwanden, aber sie blieben nicht auf dem Boden liegen. Sie fröstelte. Etwas Kaltes bewegte sich in ihr wie ein gewaltiger Wurm. Sie spürte den Druck hinter den Augen, und plötzlich kamen ihr die ersten Gedanken.
Sie tröpfelten in ihren Kopf hinein, ähnlich wie die Blutstropfen sich lösten.
Es hatte nichts direkt mit ihr zu tun. Aber sie konnte sich vorstellen, dass man ihr eine Botschaft brachte. Vielleicht sogar von Dario La
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