1143 - Grabmal des Grauens
Kopf. Sie rieb dann innen an der Scheibe entlang, um sich ein Guckloch zu schaffen, weil sie sehen wollte, ob sich jemand in ihr Bad eingeschlichen hatte.
Nein, es war niemand da.
Woher kam dann das Beil oder sein Schatten?
Sie musste sich überwinden, bevor sie in das Bad trat und sich abtrocknete.
Dann war es weg!
So schnell wie das verdammte Beil gekommen war, hatte es sich auch wieder zurückgezogen, und in ihrem Bad entdeckte sie auch nichts Fremdes.
Marion war keine ängstliche Frau. Jetzt aber wünschte sie sich einen Schutz. Der kalte Schauer auf ihrem Rücken wollte einfach nicht verschwinden, und sie fürchtete sich auch, dass jemand Fremdes in ihre Wohnung eingedrungen war.
Vor der Dusche blieb sie stehen. Langsam nahm sie das Badetuch und schlang es um ihren fröstelnden Körper. Was sie sonst als einen wärmenden Umhang betrachtete, kam ihr plötzlich kalt und klamm vor.
Sie trocknete sich automatisch ab, doch mit den Gedanken war Marion Hopper nicht bei der Sache. Immer wieder bewegte sie den Kopf und suchte das Bad ab, in dem es keine verräterischen Spuren mehr gab.
Was war zu tun?
Eingebildet hatte sie sich das verdammte Schattenbeil nicht. Sie war nicht gaga. Es hatte sich auf der Scheibe abgemalt, daran gab es nichts zu rütteln. Aber wieso? Warum hatte dieses verfluchte Beil so ausgesehen wie das ihres Onkels, mit dem er einen Teil der Familie umgebracht hatte?
Es gab für die keine Erklärung. Genau das machte sie wütend. Marion war eine Frau, die fest mit beiden Beinen im Leben stand. Bisher hatte sie für ihre Probleme immer eine Lösung gefunden. In diesem Augenblick fühlte sich die Frau nicht nur nackt, was sie auch war, sondern schutz- und hilflos.
Ja, Hilfe hätte sie gebrauchen können. Nur wer hätte ihr helfen wollen? Etwa Dario La Monte, ihr Freund? Nein, der hätte sie nur angeschaut, ausgelacht, sie vielleicht in den Arm genommen und ihr geraten, sich noch einmal alles durch den Kopf gehen zu lassen.
Die Mutter?
Die war ebenfalls nicht die richtige Person. Bei entsprechenden Fragen und Bemerkungen wäre sie in ein tiefes seelisches Loch gestürzt, und das wollte ihr Marion nicht zumuten.
Ich selbst muss mit dem Problem allein zurecht kommen, sagte sie sich. Ich allein.
Ihr Körper war trocken. Das Badetuch fiel nach unten und blieb vor ihren Füßen liegen. Nackt und mit kleinen Schritten ging sie auf den großen Spiegel zu. Sie betrachtete sich darin, und dachte daran, dass sie mit ihrem Körper zufrieden sein konnte, trotz der kleinen Speckröllchen an den Hüften. Aber wer war schon perfekt? Das dunkelblonde Haar klebte noch immer am Kopf. Sie wollte es auch nicht fönen und so trocknen lassen. Noch immer besaß sie die klaren, blauen Augen. Das kleine Kinn, auch die Grübchen. Aber um die Augen herum zeichneten sich schon die ersten Falten ab, was aber vom Lachen herrührte, wie sich Marion eingestand. Und auch durch Stress bedingt, der ihr an manchen Tagen schwer zu schaffen machte.
Sie tupfte noch einmal die letzten Tropfen aus dem Gesicht. Es war mehr Schweiß als Wasser, denn mittlerweile war es im Bad ziemlich warm.
Aus einem schmalen und hohen Schrank mit lindgrüner Lackierung holte sie den frischen Slip. Gedankenlos streifte Marion ihn über, den Blick jetzt auf die Tür gerichtet. Es war zwar Unsinn, doch sie erwartete, dass sie jeden Augenblick geöffnet wurde und plötzlich ein Fremder im Raum stand.
Nichts davon passierte. Es war alles nur Einbildung. So schlang sie dann den flauschigen und weißen Bademantel um den fast nackten Körper. Der Stoff war so warm, und Marion fühlte sich darin geborgen wie in einer wunderbaren Höhle.
Die Hand lag schon auf der Türklinke, als sie zögerte. Was war, wenn sie jetzt hinausging und plötzlich eine fremde Person vor ihr stand?
Womöglich noch mit einem Beil.
Sie begann wieder zu frieren, und die Kälte rann zitternd über den Rücken hinweg. Nach einigen Sekunden schalt sie sich eine Närrin und riss die Tür auf.
Der erste Blick ging in den erleuchteten Flur.
Er war leer.
Es tat ihr plötzlich gut, die Bilder an den Wänden zu sehen. Dario und sie hatten sie gemeinsam ausgesucht und dabei genau ihren Geschmack getroffen. Es war so etwas Bekanntes, und die Bilder sagten ihr, dass sie sich zu Hause befand und nicht in der Fremde, auch wenn es ihr so vorkam. Es war auch nichts zu hören. In der gesamten Wohnung hatte sich die abendliche Stille ausgebreitet.
Aber Marion blieb vorsichtig. Jetzt hätte
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