1143 - Grabmal des Grauens
wurde und auf einem Platz vor dem Haus endete. Fahrzeuge konnten an der Seite abgestellt werden, und dort rollten wir auch hin.
Das Haus stand recht einsam, und es war auch einsam. Niemand hatte sich bei unserer Ankunft blicken lassen. Da war keine Haustür geöffnet worden, auch hinter den Fenstern hatten wir keine Bewegung gesehen, nur an der Seite des Hauses parkte ein Porsche vor einem breiten Garagentor.
»Da passt ja meiner dazu«, sagte Bill und stieg aus.
Ich folgte ihm, schlug die Tür zu, und schaute mich automatisch um und war überrascht, als ich das große dreieckige Fenster sah. Man soll sich ja nie vorher beeinflussen lassen, doch diese normale Veränderung hätte ich bei dem Backsteinhaus nicht erwartet. Es hatte mir eher einen biederen Eindruck gemacht.
Ich wollte schon zur Seite blicken und Bill nachgehen, als ich noch einmal hoch zur Scheibe blickte. Den Grund kannte ich selbst nicht. Es war einfach so.
Es spiegelte sich kein Sonnenstrahl in der Scheibe. Nur der Himmel malte sich zum Teil im dicken Glas ab. Trotzdem war mein Blick frei.
Ich konnte von unten her in den großen Raum sehen. Meine Augen weiteten sich.
Zwei Frauen!
Eine stand mit dem Rücken dicht am Fenster. Die zweite hielt sich vor der ersten auf. Und sie hielt eine mächtige Axt in den Händen und auch über ihren Kopf gehoben.
Es war klar, dass sie zuschlagen würde, und wir würden zu spät kommen…
Das ist das Aus! Das ist der Tod! Das ist auch die Rache eines Teufels!
Marion Hopper war am Ende. Einzig die Gedanken huschten noch durch ihren Kopf. Die Frau empfand sie wie brutale Schläge.
Sie schaffte auch keinen Schrei mehr. Die Angst glich einem Messer, das ihren Körper in zwei Hälften teilte.
Anne wartete noch. Die Arme auch weiterhin erhoben. Sie zitterten leicht. Sie war ein Mensch, doch sie glich einer fremden Person, die nur ein menschliches Aussehen erhalten hatte. Warum schlug sie nicht zu?
Warum hielt sie so lange inne?
Allmählich dachte auch Marion darüber nach. Und sie wunderte sich selbst darüber. Die Zeit war reif, um auch sie zu vernichten, aber Anne tat es nicht.
Sie hatte ihre schlagbereite Haltung nicht verändert. Aber sie war auch wie eingefroren. Nichts mehr. Keine Reaktion. Kein Schlag. Das Warten - aber worauf?
Auf die Stimmen?
Sie waren da. Sie huschten um Anne und Marion herum. Sie waren zu sehen, und trotzdem schaffte es Marion nicht, sie genau zu erkennen. Da war einfach noch zuviel dazwischen. Es waren keine Menschen, sondern Geister. Schemen, dünne, nebelartige Gebilde, die sich jedoch artikulieren konnten.
Sie »sprachen« mit hohen, sirrenden, geisterhaften Stimmen, die über allem schwebten, und Marion war sogar in der Lage, einige Worte zu versehen.
»Kein Blut mehr… nicht du… kein Blut… wir haben gebüßt… genug Blut geflossen…«
Anne hörte die Stimmen ebenfalls und gehorchte auch. Sie zitterte.
Der Ausdruck auf ihrem Gesicht änderte sich. Sie sah aus, als wäre sie dabei, sich die Worte durch den Kopf gehen zu lassen und darüber nachzudenken.
Aber es war schwer, so verdammt schwer. Sie kämpfte mit großen Mühen. Sie zitterte, und das Beil zitterte ebenfalls. Es wurde längst nicht mehr so hart festgehalten wie es hätte sein müssen. Es schwankte nicht nur von rechts nach links, sondern kippte auch leicht nach vorn.
Sollte sie trotz der Warnung die Waffe nach unten fallen lassen? Und sollte die Klinge dann in Marions Kopf schlagen?
Etwas anderes trat ein.
Hinter ihr erhielt die Scheibe einen Schlag. Sie nahm ihn als dumpfen Laut wahr, vermischt mit einem Knirschen. Das Glas war sehr massiv, es brach nicht auseinander, und als sie einen Blick über ihre Schulter warf, da erkannte sie, dass etwas im Glas feststeckte. Ein Klumpen, um den herum sich ein Spinnennetz ausgebreitet hatte, das aus feinen Rissen bestand.
Plötzlich war das Beil für sie unwichtig geworden. Sie konnte sich auch wieder bewegen, drehte sich um und schaute durch das Fenster nach unten vor den Garagenplatz.
Dort stand ein Mann. Ein zweiter Porsche hatte angehalten. Marion kannte den Mann nicht, aber sie sah, dass er eine Waffe festhielt, mit der er in die Höhe zielte. Automatisch winkte sie mit beiden Händen ab und hoffte, dass der Fremde diese Geste verstand. Ja, er tat es und ließ die Waffe sinken.
Zugleich erklang ein dumpfes Geräusch hinter ihrem Rücken. Wieder fuhr sie herum und sah die Axt neben ihrer Mutter auf dem Boden liegen. Sie war ihr aus den Händen
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