1147 - Die Spur zu Ordoban
sie, während sie in flachen Sprüngen durch die Korridore der SOL schwebte. Blaurotpunkt kam ihr in den Sinn, ihr Lieblingsgefährte. Ihn und die vier anderen Männer, die mit ihr liiert waren, hatte sie verlassen. Mehr noch: Ihr ganzes Volk hatte sie verlassen, um mit den Fremden durch die Welt zu ziehen. Mitunter bereute sie es bereits, aber es ließ sich wohl so schnell nicht mehr rückgängig machen.
Sie verscheuchte die trüben Gedanken, als der Eingang ihrer Kabine in Sicht kam. Da sie als Beraterin der Schiffsführung galt, war die Unterkunft nicht weit von der Zentrale entfernt. Sie brauchte keinerlei Transportmittel, um den Weg in kurzer Zeit zurückzulegen.
Sie verkannte allerdings nicht, daß sie damit ein Privileg genoß, welches bei etlichen Besatzungsmitgliedern auch Antipathien weckte.
Weiter vorn trat jemand aus seinem Wohnbereich und wandte sich in ihre Richtung. Im Näherkommen erkannte sie Erdeg Teral, einen hochgewachsenen, schlanken Mann mit freundlichen Augen und pechschwarzen Haaren. Er gehörte zum Kreis der Piloten und war darüber hinaus einer von Atlans Stellvertretern. Offenbar schickte er sich an, seinen Kollegen in der Zentrale routinemäßig abzulösen.
Reihumgrün hob einen Tentakel und winkte ihm in menschlicher Geste zu. Wie so viele Verhaltensweisen, hatte sie auch diese von den Solanern abgeschaut und sich angeeignet. Erdeg winkte lachend zurück. Dreißig oder vierzig Meter trennten sie noch von ihm.
Hinter ihr erklang ein sirrendes Geräusch. Im gleichen Moment, als sie sich zu einem weiteren Sprung vom Boden abstieß, blieb Erdeg wie angewurzelt stehen. Das Sirren wurde lauter und kam auf sie zu. Plötzlich schien die Luft wie unter Hitzeeinwirkung zu flimmern.
Ein Energiefeld!
Der Schreck peitschte in ihr hoch, doch sie konnte ihren Sprung nicht mehr abfangen.
Sie prallte gegen etwas Weiches, Nachgiebiges und wurde mitten im Flug angehalten. Sie hörte es knistern und sah die blitzenden Entladungen, die an ihrem Körper emporzüngelten. Brennender Schmerz fraß sich durch die Haut, während sie auf den Boden schlug und hastig von der Energiewand wegkroch. Ein Schatten summte über sie hinweg und senkte sich vor ihr herab.
Es war eines jener offenen Fluggeräte, die auf der SOL als interne Transportmittel für weitere Entfernungen Verwendung fanden. Normalerweise für vier Personen gedacht, hatten sich in diese Maschine sieben Leute gezwängt. Sie sprangen über den Rand des schalenförmigen Transporters und verteilten sich außerhalb des Energiefelds um die Kapselod-Strahl-Frau.
Reihumgrün richtete sich langsam auf. Sie merkte, wie der brennende Schmerz nachließ und zu einem lästigen, aber erträglichen Jucken wurde. Das flimmernde Hindernis hatte sich wie eine Glocke über sie gestülpt. Die Berührung verursachte Hautreizungen, erwies sich im übrigen jedoch als ungefährlich. An manchen Stellen hatte sich die grüne Farbe ihres Körpers fleckenartig verdunkelt.
Sie blickte sich um und sah in grimmige, entschlossene Gesichter. Weiter vorn im Korridor stand Erdeg Teral noch immer reglos. Einer der Angreifer hatte sich in seine Richtung gewandt und bedrohte ihn mit einer Waffe.
„Komm her!" rief er, während er auffordernd den Kopf bewegte. „Und nimm die Arme nach oben!"
Der Pilot gehorchte widerspruchslos. Er verschränkte die Hände im Nacken und näherte sich zögernd.
„Was habt ihr davon?" fragte Reihumgrün. „Was soll das alles?"
Nur einer der Umstehenden bewegte sich. Zusammen mit dem, der Teral in Schach hielt, fungierte er wohl als Anführer der Gruppe. Die anderen wirkten eher abwartend; sie hatten sich aufwiegeln und mitreißen lassen, entwickelten jedoch offenbar keine eigene Initiative.
„Wir machen dich für das gegenwärtige Dilemma verantwortlich - deshalb sind wir hier."
„Welches Dilemma?" gab Reihumgrün unerschrocken zurück.
Der Wortführer verengte die Augen.
„Halte uns nicht zum Narren", sagte er drohend. „Du weißt genau, was ich meine."
„Nein."
Sie gab sich gelassen, obwohl es in ihr wühlte. Die Leute waren gereizt und erregt. Allzu leicht konnten sie die Nerven verlieren. Reihumgrün mußte es riskieren. Sie spielte auf Zeit.
Mittlerweile hatte Erdeg Teral die Gruppe erreicht und blieb stehen. Er war klug genug, keine Bewegung zu machen, die sich als Abwehr- oder Angriffsaktion mißdeuten ließ.
„Deine Waffe!" wurde er aufgefordert. „Wirf sie weg!"
Er tat, wie ihm geheißen. Mit Daumen und Zeigefinger zog
Weitere Kostenlose Bücher