1148 - Der Butler
normaler Toter, sondern jemand, der mit ihm verwandt war - sein Großvater!
Er fühlte sich wie ein Gefangener ohne sichtbare Fesseln. Er kam nicht mehr weg, nicht mehr aus freien Stücken.
Das Grab zog seinen Blick an wie ein Magnet das Eisen. Die Erde war in Bewegung geraten. Sie bildete auch in dieser Masse ein schon wahnsinniges Gewicht. Wer immer aus der Tiefe nach oben kroch, musste schon über eine übermenschliche Kraft verfügen, wie es eben bei diesen verfluchten Zombies der Fall war.
Das kannte er aus den Filmen.
Er schaute kurz nach rechts.
Edward stand nicht mehr dort. Er war zur Seite und zurückgetreten. Er wollte, dass das Grab Chris allein und seinem Großvater gehörte.
Der Arm stach in die Höhe. Die Hand kam Chris viel größer vor als zu Lebzeiten des Großvaters, und sie schien all diejenigen zu mahnen, sich nicht mehr dem Bösen hinzugeben.
Sie konnte aber auch rächen, und davor fürchtete sich der junge Mann. Genau an dieser Stelle begann er, seine letzten Jahre zu bereuen. Er hätte nicht weglaufen, sondern zu Hause bleiben sollen.
Jetzt war es zu spät.
Wieder bewegte sich die Graberde, und im nächsten Moment erschien die rechte Schulter des verstorbenen Großvaters. Auch schmutzig und bleich. Zugleich nackt und kahl.
Das kann nicht sein!, schoss es ihm durch den Kopf. Das… das… ist unmöglich. Nicht mein Großvater. Nicht Harold Ogden. Das ist eine Puppe, die man von unten nach oben gedrückt hat. Edward will mich hier reinlegen und fertig machen.
Scharf drehte er den Kopf und musste auch noch seinen Körper bewegen, um den Butler zu sehen.
Edward grinste. »Ist was?«, fragte er höhnisch.
»Bitte…«
»Glaubst du es immer noch nicht, Chris? Dein Großvater liebt dich. Er mag dich sehr. Er will, dass du wieder bei ihm bist. Er freut sich auf dich.«
Chris schüttelte heftig den Kopf. »Aber das ist er nicht. Das kann er nicht sein. Mein Großvater ist tot, verstehst du das denn nicht? Er ist tot, verdammt noch mal! Das weißt du genau. Du willst mir hier einen… einen…« Chris wusste nicht mehr, was er sagen sollte. Er verstummte schluchzend und ließ sich wie eine Puppe behandeln, als der Butler ihn anstieß und wieder herumdrehte. »Du wirst jetzt weiter auf das Grab schauen und deinen Großvater begrüßen, wenn er zu dir kommt. Hast du verstanden?«
»Ich… ich…«
»Ob du verstanden hast?«
»Ja, das habe ich!«
»Dann schau wieder hin.« Edward griff in den Nacken des jungen Mannes und schüttelte seinen Kopf mal vor und zurück mit sehr heftigen Bewegungen. Als er ihn losließ, schwankte Chris, aber er blickte jetzt auf das Grab.
Vor dem großen Grabstein hatte es eine Veränderung gegeben. Das Loch war größer geworden, und aus ihm hatte die Gestalt ihren Körper gedrängt. Nicht nur den Leib, auch den Kopf.
Kopf… Kopf… Kopf…!
Chris glaubte, dem Irrsinn verfallen zu sein, denn was er da zu sehen bekam, war tatsächlich der Kopf seines Großvaters. Nur sah er jetzt anders aus. Er schien größer und breiter geworden zu sein.
Der Schmutz klebte an einer Haut, die eigentlich keine mehr war, sondern mehr ein blasses Stück Stoff, das jemand über den Schädel gezogen und dann beschmiert hatte.
Harold Ogden hatte seinem Enkel das Gesicht zugedreht. Es war verzerrt und nicht mehr als normal anzusehen. Es hatte Risse bekommen, Falten, Furchen, und alles an dieser Fratze war beschmiert.
Der Dreck klebte darin fest, auch um die Augen herum, die weit geöffnet waren.
Chris hatte seinen Großvater als einen Mann in Erinnerung, der immer sehr distinguiert wirkte. Er war jemand gewesen, der nie ausfallend geworden war und immer schlichtend auf alle Menschen gewirkt hatte. Ein echter Grande, wie der Butler einmal hatte verlauten lassen.
Davon war nichts mehr zurückgeblieben. Was aus diesem Grab stieg, war einfach furchtbar. Man musste schon von einer grauenhaften Gestalt sprechen, die nur nach außen hin einem Menschen glich. Der größte Teil des Körpers war bereits in den Zustand der Verwesung übergegangen, aber trotz allem war er noch als Sir Harold Ogden zu erkennen. Dem jungen Mann kam plötzlich in den Sinn, dass der Großvater immer Wert darauf gelegt hatte, seine Haare ordentlich zu kämmen. Davon war nichts mehr zu sehen. Was jetzt auf dem Kopf wuchs, war nichts anderes als eine schmutzige Wolle.
Chris schüttelte sich. Er wusste nicht, wie er sich verhalten sollte. Einerseits ekelte er sich davor, andererseits erkannte er in dem
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