115 - Die Höhle des Chakra
die ganz Armen in Bambushütten.
Sri Mahadev hielt vor einem zweistöckigen Gasthaus, das in Dewanadari-Schrift die Namensaufschrift
Ashoka
trug; das war ein großer Kaiser, der im dritten Jahrhundert der christlichen Zeitrechnung gelebt hatte.
Don Chapman verschwand wieder in seiner Tasche.
Unga stieg aus, half Manjushri aus dem Wagen und vertrat sich die Beine.
Der Gasthausbesitzer und seine drei Söhne kamen und begrüßten die Gäste. Es stellte sich heraus, daß Sri Mahadev Singh die Ankunft Ungas und Manjushris schon angekündigt hatte. Die Söhne des Gasthausbesitzers trugen das Gepäck ins Gebäude - außer der Tragetasche, die Unga nicht aus den Händen gab.
Unga sah sich um. Bei dem Gasthaus stand ein leerer Touristenbus einer indischen Reisegesellschaft. Zwei Souvenirstände, die jetzt geschlossen hatten, waren aufgebaut. Auf der Straße liefen Hühner herum und pickten am Straßenrand.
Dann erblickte Unga den Bettelmönch unter dem Banyanbaum. Er sah ihn nur von der Seite. Der Bettelmönch trug einen schmutzigen orangefarbenen Umhang. Der Schädel und die großen, fleischigen Ohren erinnerten Unga an etwas.
Er gab Sri Mahadev die Tragetasche, faßte den Kommandostab fester und marschierte los, über die Straße und den Platz zum Banyanbaum.
Der Bettelmönch wandte den Kopf um, als Unga an ihn herantrat und der Schatten des Hünen auf ihn fiel.
Es war derselbe Mönch, den Unga schon am Flughafen von Bombay und später beim Hotel gesehen hatte. Der linke Arm des Mönchs lag in einer Schlinge. Gewiß hatte er eine Verletzung an der Schulter.
Unga sah in das affenartige Gesicht mit den böse funkelnden schwarzen Knopfaugen.
„Hanuman", sagte er und hob die Spitze des Kommandostabs, „Weißt du nicht mehr, was ich dir versprochen habe für den Fall, daß wir uns noch einmal sehen? Du und deine Dämonen, ihr habt die tapferen Sikhs zerfleischt, den Guru und die Sadhus."
„Ich bin ein Diener Luguris", sagte der Mönch. „Dem Erzdämonen gefällt es nicht, daß in Indien rätselvolle Dinge vorgehen, auf die er keinen Einfluß hat, daß sich fremde Mächte neben ihm breitmachen wollen. Die Padmas sind seine Feinde und auch die Chakras, vor allem aber Chakravartin selbst, der Geheimnisvolle. Luguri warnt dich, Diener des Hermes Trismegistos, und auch deinen Herrn, dich in das Spiel hier einzumischen."
„Ist der Erzdämon hier?" fragte Unga.
Der häßliche Mönch schüttelte den Kopf.
„Ich, Hanuman, bin Luguris Bevollmächtigter. Ich weiß Bescheid über dich, Unga, und ich warne dich zum letztenmal. Verschwinde mit deinem Zwerggeist aus Indien, dann will ich vergessen, daß du mich in der vergangenen Nacht verwundet hast!"
„Wer ist Chakravartin?" fragte Unga.
Der Mönch gab ihm keine Antwort. Etwas Dunkles flitzte über die Straße und kauerte sich in die Bettelschale des Mönchs. Es war ein Irrwisch. Er quiekte und wisperte. Hanuman verstand ihn anscheinend.
„Es ist gut, Candra", sagte er und starrte Unga mit zwingendem, hypnotischem Blick an. „Was ist nun, Diener des Hermes Trismegistos? Verläßt du Indien?"
„Nicht bevor ich über den Chakravartin Bescheid weiß."
„Die Chakras sind näher bei dir, als du ahnst", sagte Hanuman. Er saß immer noch zu Ungas Füßen. „Nun gut, dann soll Feindschaft zwischen, lins sein."
Unga redete nicht länger. Er stieß mit dem Kommandostab zu. Die Knochenspitze fuhr durch Hanumans Körper. Sie traf auf keinen Widerstand.
Der Dämon löste sich in Luft auf, verschwand und nahm auch den Irrwisch mit. Ein höhnisches Lachen war zu hören.
Gleich darauf raschelte es über Unga in den Zweigen. Er sprang zur Seite. Eine Schlange fiel herab, eine schwarze Mamba. Sie richtete sich zischend auf und blähte die Halsteile.
Unga hieb mit dem verdickten Ende des Kommandostabes einmal zu. Mit zerschmettertem Kopf wand sich die Mamba auf dem Boden.
Der Cro Magnon kehrte zu den anderen zurück, die beim Wagen standen.
„Was ist geschehen?" fragte Sri Mahadev.
Der Wirt und seine Söhne hatten von dem Vorfall nichts bemerkt.
„Nichts weiter", sagte Unga verschlossen. „Ich habe mich mit Hanuman unterhalten."
Sri Mahadev zeigte zum erstenmal Trauer über den Tod seiner Sikhbrüder. Sein Gesicht verzerrte sich. Tränen traten in seine Augen.
„Hanuman, diese schmutzige Kreatur. Der Guru, die Sadhus, Rajman und die anderen Sikhs sind gestorben. Mein Herz ist voller Kummer und Sorge. Warum haben Sie Hanuman nicht vernichtet?" „Das wollte ich ja",
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