115 - Die Höhle des Chakra
Mahadev. „Zunächst nur dich allein."
Don Chapman erregte unter den Padma-Anhängern kein Aufsehen.
Sri Mahadev Singh führte seine Begleiter zu dem großen Bambushaus. Er bat Manjushri und Don Chapman, in einem schmucklosen Vorraum zu warten. Bambusmatten lagen auf dem Boden, und alles war peinlich sauber. Unga folgte Sri Mahadev durch einen Bastvorhang. In dem Bambushaus roch es nach Räucherstäbchen. Ein schmaler Korridor führte genau durch die Mitte der mit Stellwänden abgeteilten Räume.
Der Sikh blieb vor einem der Räume stehen.
„Unga Triihaer ist hier, erhabener Sadhu", sagte er.
Niemand antwortete. Sri Mahadev zog den Bastvorhang zur Seite.
„Tritt ein!" sagte er.
Er und Unga waren sich nähergekommen und siezten sich jetzt nicht mehr. Es war ohne Aufhebens und formlos zu der vertraulichen Anrede gekommen.
Unga trat in die schmale Kammer ein. Sie war spartanisch eingerichtet. Es gab nur einen niederen Tisch, auf dem eine Schale mit einer Lotosblume stand, eine schmale hölzerne Liege an der Wand und zwei Bastmatten auf dem Boden. Durch ein Fensterchen, vor das ein Vorhang gezogen werden konnte, fiel Tageslicht.
Ein Mann mit kahlgeschorenem Kopf saß auf dem Boden und kehrte Unga den Rücken zu. Er trug eine gelbe Kutte.
Unga wollte schon wütend fragen, wo denn Colonel Bixby sei, da besann er sich und trat näher.
Der Sadhu hatte die Augen fest geschlossen. Auch als Unga ihm mit der Spitze des Kommandostabs auf die Schulter tippte, rührte er sich nicht. Sein Gesicht drückte absolute Ruhe und Gelassenheit aus. Er war ein Mann, der mit sich und der Weltvollkommen im Gleichgewicht war. Seine Seele war in die große Weltseele eingegangen, sein Geist schwebte im Nirwana, bar aller Begierden, Ängste und Lüste. Er war in Meditation versunken.
Unga hatte Colonel Bixby vor sich. Bixby war ein großer, etwas beleibter Mann mit dunklem Teint und dunklen Augen. Er hatte schon auf Castillo Basajaun, wo er als Theoreticus der Magischen Bruderschaft angehört hatte, eine Außenseiterrolle gespielt.
Der Colonel war ein Einzelgänger, anders als die anderen. Fernöstlichen Mystizismen ergeben, schien es oft, als sei er der einzige Erwachsene in einem Kreis von Kindern. Trotzdem hatte Colonel Bixby sich nie überheblich gezeigt. Erst in der zweiten Hälfte der Dreißiger, hatte er schon schneeweißes Haar; vielmehr, er hatte dieses Haar gehabt. Der Sadhu, der reglos vor Unga saß und meditierte, war vollkommen kahl.
Hanuman stand an der Rückseite des Tempels, hinter einem Gestrüpp verborgen. Er hatte wieder die Gestalt des Bettelmönches angenommen. Auf seiner Hand saß Candra, der Irrwisch.
„Höre, Candra", sagte der Bettelmönch, „du wirst dich jetzt in den Tempel begeben und mir berichten, was dort vorgeht! Sei vorsichtig und laß dich nicht erwischen!"
„Candra schnell und geschickt", piepste der Irrwisch. „Niemand fängt Candra."
Er glitt von Hanumans Hand auf den Boden und wischte davon. Flackernd wie ein Irrlicht huschte er zum Tempel. Dort wurde er schwarz und verschmolz mit der Rückseite.
Hanuman wußte, daß Candra durch einen Riß in der Tempelmauer eindringen würde.
Der Affendämon wartete ab. Er spürte die bösen und fremdartigen Schwingungen, die von dem Tempelgebäude ausgingen. Die zyklopischen Mauern hatten etwas Bedrohliches, als würden sie etwas Furchtbares in ihrem Innern beherbergen. Hanuman fragte sich, was es war. Wer verbarg sich hinter dem Begriff Chakravartin und was beabsichtigte er? Sich selber in den Tempel begeben, wollte Hanuman nicht. Erst mußte er einmal wissen, was sich da abspielte, denn leichtsinnig setzte er sein dämonisches Leben nicht aufs Spiel.
Hanuman konnte durch Beschwörungen beliebig den Ort wechseln, ohne daß er dazu auf Magnetfelder angewiesen war wie zum Beispiel der Dämonenkiller. Hanuman hatte eine dämonische Energie, die er für solche Sprünge einsetzte und die er gelegentlich in gräßlichen Orgien mit schaurigen Ritualen. aufladen mußte. Er konnte auch in geschlossene Gebäude eindringen. Dämonenbanner und jede Art von Magie erzeugten allerdings eine Sphäre, die er nicht ohne weiteres zu überwinden vermochte. Auch paraphysische Phänomene hatten ihre Tücken, wie er hatte feststellen müssen.
Die Zeit verging. Hanuman wurde schon unruhig und fragte sich, wo Candra, der Irrwisch, so lange blieb. Da hörte er ein schrilles' Kreischen. Etwas Dunkles löste sich von der Tempelmauer.
Candra schoß auf Hanuman
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