115 - Die Höhle des Chakra
der Colonel. „Sri Mahadev ist ein Adept, der noch nicht die Reife des Padma 'erlangt hat, die allein befähigt, mit der Kraft des Geistes Dinge zu tun und den Körper absolut zu beherrschen - zum Beispiel das Schmerzempfinden zu töten, das Bluten bei Verletzungen zu stoppen und sogar den Herzschlag und den Atem auszuschalten." „Können Sie Felsbrocken mit der Kraft Ihres Geistes bewegen, Colonel?" fragte Don Chapman. „Und Ihre Brust mit einem Degen durchbohren?"
„Padma ist in mir", antwortete Colonel Bixby, mehr nicht. Dann stand er auf. „Es ist Zeit, zum Tempel zu gehen. Unga, ich wünsche dir alles Gute. Die Kraft des Padma wird gegen den verfluchten Chakravartin kämpfen. Don Chapman, auch dich begleiten meine guten Wünsche. Manjushri, geh hin und erfülle dein Karma!"
Manjushri hielt seinem Blick stand.
„Es gibt viele Sorten von Narren", sagte sie, „aber niemand ist närrischer als ein genarrter Guru. Haben Sie Padmasambhawa Bodhisattwa schon einmal gesehen oder waren Sie bei ihm im Nirwana, Colonel, daß Sie Ihrer Lehre so sicher sind?"
„Nein, das habe ich nicht. Aber kein fernöstlicher Religionsstifter, sondern Jesus Christus hat gesagt: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen."
Der Colonel neigte den Kopf und verließ das Gasthaus. Bis bezahlt war und Unga und die anderen nachkamen, war er schon verschwunden.
Unga hatte den Kommandostab und ein paar Dämonenbanner aus dem Zimmer geholt. Don Chapman steckte vorerst in der Tragetasche. Sri Mahadev saß schon im Landrover, und Manjushri wartete.
Als Unga aus dem Gasthof kam, kniete eine alte Frau vor Manjushri und berührte mit der Stirn ihre Knie.
„Maharani", murmelte sie und fügte noch etwas auf Hindi hinzu.
Manjushri hob sie auf, und die Alte ging. Für sie war das ein besonderer Tag gewesen.
„Ich habe dir etwas verschwiegen, als ich von mir erzählte", sagte Manjushri, als sie Ungas fragenden Blick bemerkte. „Während meines Medizinstudiums bin ich zur Miß Indien und zur Miß Südostasien gewählt worden. Ich bin keine unbekannte Persönlichkeit in Indien, wenn auch der Prominentenrummel um mich zum Glück jetzt ziemlich abgeebbt ist. Aus den Mißtiteln machte ich mir wenig. Ich hatte schon immer meinen eigenen Kopf und sagte mir damals, daß ich als Ärztin meinem Land mehr nützen könnte, als wenn ich in der Welt umherreiste und auf Empfängen albern lächelte. So amtierte ich nicht als Miß, sondern beendete mein Studium und hing aufs Land."
Und jetzt war sie dem Chakravartin verfallen, einer Macht, die nicht von dieser Erde stammte und noch furchtbarer war als die Dämonen. Unga wünschte mehr denn je, Manjushri aus den Fängen des Chakravartin retten zu können.
„Seht nur, dort!" sagte Sri Mahadev Singh. „Über dem Kailasanath-Tempel braut sich ein Gewitter zusammen. Der Himmel ist völlig schwarz und schwefelgelb. Es wird doch hoffentlich kein Taifun aufkommen?"
Unga schaute zu den Wolken, die sich zusammengeballt hatten, empor. Erst jetzt fiel ihm auf, wie schwül und drückend es war. Das Barometer fiel, das wußte Unga, auch wenn er im Moment keines vor Augen hatte.
„Völlig unvorbereitet", sagte der Sikh. „Sonst warnt der Wetterdienst immer vorher, wenn ein Taifun im Entstehen ist. Ich verstehe das nicht."
„Aber ich", sagte der Cro Magnon. „Es sind übernatürliche oder dämonische Mächte im Spiel. Der Taifun soll alle Unbeteiligten vertreiben. Es geht etwas vor beim Kailasanath-Tempel. Wir müssen sofort hin."
„Jetzt, wo der Wirbelsturm droht? Hast du schon einmal einen Taifun erlebt, Unga? Bei einem Taifun erreichen die wirbelnden Luftmassen Geschwindigkeiten von zweihundert Stundenkilometern und mehr. Ein Taifun entwurzelt selbst dickste Urwaldriesen, trägt Schiffe an Land und reißt Häuser um. So ein Taifun ist kein Spaß."
„Das, was im Kailasanath-Tempel haust, ist weit schlimmer als ein Taifun. Fährst du jetzt, Sri Mahadev, oder soll ich selber fahren?"
Unga hatte gelernt, einigermaßen mit Autos umzugehen. Sri Mahadev faßte sich aber nach dem ersten Schrecken wieder.
„Gut, ich fahre, aber wir müssen uns beeilen."
Menschen eilten entsetzt in ihre Häuser. Die Touristen, die gerade in einen der beiden vor dem Gasthaus stehenden Busse hatten einsteigen wollen, gestikulierten wild. Es waren alles Inder; europäische und amerikanische Touristen, die mit einem zweiten Bus gekommen waren, befanden sich noch im Gasthaus.
Der Gasthausbesitzer und seine Söhne kamen auf die
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