1150 - Die Dunklen Apostel
blieb bei der täglichen Normalität. Mit letzten schmatzenden Geräuschen liefen die Wellen nicht weit vor unseren Füßen aus.
Das Boot stand auch noch dort, wo wir es verlassen hatten. Manchmal fuhr der leichte Wind unter die Plane und wölbte sie hoch. An Bord selbst hielt sich niemand versteckt. Für uns wurde es allmählich Zeit, die Häuser näher zu untersuchen.
»Weißt du, John, worüber ich nachdenke…?«
»Nein.«
»Über den Sarg, den Dimitri weggetragen hat. Ich weiß auch nicht, ob er leer oder gefüllt gewesen ist und was sich darin verbarg. Ich habe mich nur gewundert, mit welcher Leichtigkeit Dimitri den Sarg zog. Das lässt auf verdammt starke Kräfte schließen.«
»Hast du gesehen, wohin er sich gewandt hat?«
Karina blieb stehen und überlegte. »In die Kirche?«
»Nein, dann hätten wir ihn gesehen.«
»Dann werden wir ihn finden, falls er nicht auch noch verschwunden ist. Woran ich allerdings nicht glaube.«
Ich glaubte auch nicht daran, denn dann hätten auch andere Dinge verschwinden müssen. Obwohl wir noch nichts herausgefunden hatten, nahm die Spannung in mir zu. Ich fühlte mich wie jemand, der dicht vor einer Tür stand, aber noch nicht den richtigen Schlüssel gefunden hatte, um sie zu öffnen.
Es gab genügend Platz zwischen den Häusern. Hier bekamen wir auch den Wind zu spüren.
Beide waren wir sehr aufmerksam, trotzdem hing jeder seinen Gedanken nach. Es passierte ja nichts in dieser fremden und tot wirkenden Welt, dennoch konnten wir damit rechnen, von irgendwoher beobachtet zu werden. Der Himmel und auch die Dunkelheit um uns herum schien mit zahlreichen Augen gefüllt zu sein.
Karina blieb vor dem größten Haus stehen. »Weißt du, an wen oder an was ich die letzte Zeit gedacht habe?«
»Nein.«
»An Zombieville.«
Karina hatte das Wort mit einem leichten Schaudern ausgesprochen, und auch ich musste schlucken.
Zombieville war ein Horror gewesen, wie man ihn selten erlebte. Eine Stadt im tiefsten Russland, die es eigentlich nicht gab. Zumindest war sie auf keiner Karte verzeichnet gewesen, denn dort hatten die alten Machthaber etwas errichtet, das man mit gutem Gewissen als Brutstätte für Zombies bezeichnen konnte.
Karina Grischin, Suko und ich waren vor einigen Monaten in einen gewaltigen Kampf verwickelt worden. Die lebenden Leichen dort gab es nicht mehr. Der Fall war auch nie an die Öffentlichkeit gelangt, wobei ich davon ausging, dass gewisse Geheimdienste schon Bescheid wussten. Aber das blieb ebenfalls unter Verschluss.
»Warum sagst du nichts?«
»Ich kann dich verstehen, Karina, aber das hier ist etwas anderes.«
»Wieso? Zombie ist Zombie.«
»Schon. Nur werden sie hier nicht gezüchtet.«
»Ach. Bist du sicher?«
»Ja. Wir haben es hier mit einem anderen Phänomen zu tun. Außerdem habe ich hier keinen Zombie gesehen, der mit einer Waffe herumläuft. Das hier gleicht mehr der ursprünglichen Art, wie ich sie schon zu Beginn meiner Laufbahn erlebt habe. Zombieville wurde bewusst geschaffen, und es wurde auch gelenkt. Hier nicht.«
»Einspruch, John. Es wurde zumindest von anderen Kräften gelenkt. Es muss doch einen Hintergrund geben.«
»Den gibt es auch.«
»Welchen?«
Ich verzog den Mund. »Würdest du zufrieden sein, wenn ich von einer magischen Zone spreche?«
»Nein, würde ich nicht. Das kann nicht stimmen, John. Nicht nur. Hier wurde etwas hinterlassen, mit dem auch die verschwundenen Dunklen Apostel zu tun haben? Du hast sie durch den Einsatz deines Kreuzes vertrieben und die Zombies gleich mit. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, dass sie und die Apostel gar nicht so verfeindet sind und irgendwie zusammenhalten müssen.«
»Okay, einverstanden. Aber den Beweis müssen wir uns noch holen.«
»Vielleicht wird er uns in der Nacht geliefert.«
»Ist auch möglich. Oder in einem der Häuser.«
»Okay, dann rein.«
Das größte Haus lag vor uns, wenn wir von der Rundkirche einmal absahen. Auch über sie hatte ich nachgedacht. Eine derartige Form hatte ich bisher nur bei den Templern erlebt. Mir fiel auch die alte Templerkirche in Soho ein, die ähnlich aussah.
Wir hatten die Tür erreicht, zu der keine Treppe hochführte. Sie schloss direkt mit dem Boden ab.
Karina Grischin hatte es eiliger als ich. Sie stemmte ihre Hand gegen das kalte Holz. Es war eigentlich nur ein Versuch, aber er klappte, denn es gelang ihr, die Tür nach innen zu drücken.
»Wie für uns geschaffen«, flüsterte sie.
Der erste Blick in das Haus
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