1150 - Die Dunklen Apostel
verbarg.
Es waren lebende Tote. Wir hatten sie gesehen. Wir hatten einen von ihnen sogar in Karel Kuzows Hütte vernichtet. Aber keiner von uns wusste, weshalb sie dieses Schicksal erlitten hatten, und das wiederum ärgerte mich.
»Du schweigst noch immer, John.«
»Na ja, was soll ich sagen? Es kann sein, dass ich durch den Einsatz meines Kreuzes etwas durcheinander gebracht habe. Vielleicht sogar etwas viel.«
»Einverstanden. Und was kann das gewesen sein?«
»Ein Gefüge. Ein - sage ich mal, Dimensionsgefüge. Es ist möglich, dass diese Personen von einer anderen Welt verschluckt worden sind. Verstehst du?«
»Ich verstehe es nicht. Aber seit ich dich kenne, habe ich gelernt, diese Dinge zu akzeptieren. Ist doch auch was. Trotzdem kommst du nicht ohne weitere Frage davon. Welche Zeit könnte das gewesen sein? Oder welche Dimension?«
»Könnte dir der Begriff ›Zeit‹ weiterhelfen, Karina?«
»Das kommt darauf an.«
»Sie können in einer anderen Zeit verschwunden sein. So meine ich das.«
Karina nahm sich auch etwas Zeit. Allerdings nur, um nachzudenken. »Da kämen nur zwei Komponenten in Frage. Zum einen die Vergangenheit und zum anderen die Zukunft. Wobei mir beides recht unglaubwürdig erscheint, denke ich mir.«
»Ja, das ist es auch, wenn ich ehrlich bin. Trotzdem können wir es nicht völlig zur Seite legen. Es tut mir leid, wenn ich das sagen muss, aber gewissen Tatsachen muss man sich eben stellen. Durch den Einsatz meines Kreuzes kann ein Zeitloch entstanden sein, in dem die Gestalten verschwunden sind.«
»Könnten sie auch wieder zurückkehren?«
»Das wäre nicht schlecht. Das würde ich mir sogar wünschen, wenn ich ehrlich bin. Schließlich wollen wir erfahren, was hier tatsächlich abgelaufen ist.«
Karina nickte einige Male. »Jedenfalls etwas, das schon lange Zeit zurückliegt. Ein Vorgang, von dem selbst die Behörden nichts erfahren haben. Das soll schon was heißen, denn ich gehe davon aus, dass es noch zur Zeit der UdSSR passiert ist.«
»Ist alles möglich.«
»Vielleicht ein UFO?«
Sie zuckte zusammen, als ich sie anschaute. »He, halte mich nicht für blöde. So etwas hat es gegeben. Jedenfalls gibt es einige Akten darüber. Natürlich streng geheim. Selbst Wladimir Golenkow hat nicht Bescheid gewusst, als ich über dieses Thema mal mit ihm sprach. Er hat es allerdings nicht völlig von der Hand gewiesen.«
Ich sagte dazu nichts. So unrecht musste sie nicht haben, denn auch ich war schon mit Außerirdischen konfrontiert worden. Ich war sicher, dass in der Weite dieses Landes noch einige Überraschungen verborgen lagen, um die wir uns nicht zu kümmern brauchten. Wir hatten unsere Insel, und die wollte ich gern durchsuchen.
Das Gleiche hatte auch Karina vor. »Gehen wir?«
»Sofort.«
»Okay, dann bin ich mal gespannt…«
***
Diese namenlose Insel in einem für mich namenlosen See war zwar bewohnt gewesen, aber nicht von normalen Menschen, die hier ihr Leben verbrachten und sich autark ernährten. Da hatte es weder Frauen noch Kinder gegeben, sondern nur Männer, und sie hatten eben in einer klösterlichen Gemeinschaft zusammengelebt, was ja nichts Schlimmes war. Ob es allerdings fromme Männer gewesen waren, die nur für ihren Glauben lebten, das wagte ich zu bezweifeln. Sie hatten sich uns gegenüber anders verhalten. Es brachte nichts ein, wenn ich mir über dieses Thema zu viele Gedanken machte, ich würde nie zu einem Ergebnis kommen, ohne irgendwelche Hinweise.
Auf dieser Insel gab es keine Gärten, keine Bäume, nur dürres Gras, das zum Teil noch vom harten Schnee verdeckt wurde. Aber es standen Häuser hier, und auf jedem Hausdach sahen wir ein Kreuz.
Mich irritierte es. Karina zweifelte auch daran, ob die Bewohner dem Kreuz gedient hatten oder ob sie nur Tarnung gewesen sind, um in ihrem Schutz Verbrechen begehen zu können. Die Häuser standen nicht in Reih und Glied. Zueinander bildeten sie schräge Winkel, und auf ihren meist flachen Dächern hatte sich der Schnee ebenfalls noch gehalten.
Es gab hier keine Lebewesen. Selbst die Vögel umflogen das Eiland, und es war sehr kalt. Kälter jedenfalls als auf dem See und am normalen Ufer.
Bevor wir uns die Häuser vornahmen, waren wir einmal dicht am Strand um die Insel herumgegangen. Das Ufer oder der Strand spielten in diesem Fall eine besondere Rolle, denn das Wasser hatte die lebenden Leichen aus der Tiefe geholt und sie eben auf den Strand gespült. Hier tat uns der See den Gefallen nicht. Es
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