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1150 - Die grosse Vision

Titel: 1150 - Die grosse Vision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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brannte Perry auf der Seele. Was war aus der unwirklichen Umgebung geworden, nachdem sie sie verlassen hatten? Gab es sie noch, oder war sie in derselben Versenkung verschwunden, aus der der Armadaprophet sie wenige Stunden zuvor hervorgezaubert hatte? Es gab keine Möglichkeit, sich über das Schicksal der Verschollenen zu informieren. Man konnte nur hoffen, daß der Armadaprophet acht Terraner nicht unnötig dem Tod ausliefern werde.
    Leo Dürk hatte dergleichen Sorgen schon längst zu den Akten gelegt. Nicht, daß er sich für das Wohl der Menschen, die ihm anvertraut waren, nicht verantwortlich gefühlt hätte.
    Er war im Gegenteil stets ein fürsorglicher Vorgesetzter, auf den seine Mitarbeiter sich voll und ganz verlassen konnten. Auf der anderen Seite huldigte er dem Realismus. Hier hatte er eine Lage vor sich, an der sich nichts mehr ändern ließ. Warum sollte er sich darüber weiterhin den Kopf zerbrechen?
    Ansonsten war alles, wie Velda Zee sich ausdrückte, beim alten. Die Temperatur der Schachtwände betrug 120 Grad Kelvin. Unter ihnen war das geheimnisvolle rote Leuchten, dem sie nicht näher zu kommen schienen, solange sie auch unterwegs sein mochten. Es gab über seine Beschaffenheit keine Auskunft. Die einzige Messung, die die komplexen Geräte der SERUNS an der fernen roten Glut durchzuführen vermochten, war die Bestimmung der Farbtemperatur - mit anderen Worten: eine Umdeutung der Farbe in eine Temperatur, wobei vorausgesetzt wurde, daß es sich bei dem strahlenden Objekt um einen „Schwarzen Körper" im Planckschen Sinne handelte.
    Perry musterte die Anzeige und stutzte. Bisher hatte sie mit penetranter Stetigkeit bei dem Wert 3200 Grad gelegen. Jetzt auf einmal betrug sie nur noch 3080. Er wollte Alaska bitten, die Messung zu bestätigen, aber im letzten Augenblick besann er sich eines anderen. Vielleicht handelte es sich nur um eine vorübergehende Schwankung. Es hatte keinen Zweck, die anderen mit voreiligen Bemerkungen nervös zu machen - besonders Leo Dürk nicht, der Schwierigkeiten hatte, sich mit unerwarteten und unerklärlichen Entwicklungen zurechtzufinden. Er beobachtete weiter. Der Wert fuhr fort zu sinken - 3000 Grad, 2900, 2800 ...
    Er beugte sich vornüber und blickte in die Tiefe. Das rote Leuchten war merklich dunkler geworden.
    „Macht euch auf etwas gefaßt", sagte er. „Ich glaube, der Armadaprophet schickt sich an, uns seinen zweiten Trick zu spielen."
     
    *
     
    Es war gespenstisch. Zehn Minuten später schwebten sie durch bodenlose Finsternis.
    Das rote Feuer tief unter ihnen war erloschen. Sie hatten die Helmlampen eingeschaltet.
    Zuerst hatten sie es als beruhigend empfunden, als sie die grellen, runden Lichtflecke sahen, die die Strahlenbündel der Lampen auf die raue Felsoberfläche der Wände zeichneten. Aber plötzlich verschwanden die Reflexe. Die Lichtkegel fuhren hinaus in ein endloses, unbegrenztes Nichts und verzehrten sich in der Schwärze. Infolge des Vakuums gab es keine Streuung des Lichts. Der Lichtstrahl trat durch die gewölbte Glassitverkleidung der Lampe - und war verschwunden.
    „Der Teufel soll mich holen", keuchte Leo Dürk, „wenn ich..."
    „Der Teufel wird dich holen, Leo Dürk, wenn du nicht aufhörst zu fluchen." Eine helle Frauenstimme, nachdrücklich und voller Ärger. Perry horchte auf. Erhielt das alte Raubein jetzt endlich die verdiente Lektion? „Unbeherrschte Kraftreden erzeugen überschüssiges Adrenalin, nicht nur beim Sprecher, sondern auch beim Zuhörer. Adrenalinüberschuß stört die Konzentration. Du erweist uns also keinen Freundesdienst, wenn du haltlos vor dich hinwetterst."
    Einen Augenblick lang war es totenstill. Leo Dürk brauchte Zeit, sich von dem Schock zu erholen. Perry hatte die Finsternis und die grenzenlose Weite des schwarzen Raums vergessen. Was ihn faszinierte, war der menschliche Dialog, das Aufeinanderprallen zweier verschiedener Charaktere. Wie oft hatte er denselben Vorgang schon erlebt: Ausgerechnet im kritischen Augenblick begannen zwei ungleich Geartete, sich gegenseitig ihre Idiosynkrasien vorzuwerfen. Bedeutete das, daß der Mensch überheblich, von dem Wert seiner Person in übertriebenem Maße überzeugt war? Oder lag es einfach daran, daß das menschliche Bewußtsein in solchen Sekunden höchster Anspannung ein Sicherheitsventil brauchte, durch das es einen Teil seiner Ängste abblasen konnte?
    Leo Dürk hatte die Sprache wiedergefunden. Im Helmempfänger grollte es: „Mädchen, du hast kein

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