1153 - Hölle auf Erden
ihnen die Droge entzogen wurde und deren Wirkung abklang, bäumten sie sich gegen die Fesseln auf, mit denen man sie in den Betten festgeschnallt hatte, beschimpften Booker und dessen Helfer und verlangten, freigelassen zu werden.
„Die Injektionen!" sagte Booker Tern.
Harvel Kreek trat mit der gefüllten Injektionspistole ans erste Bett. Zwei Helfer hielten den Kopf des Befallenen fest, und Kreek schoß eine Aufschwemmung, die ein Hundertstel Milligramm Drüsenextrakt des Traumkäfers enthielt, in eine Halsvene.
Nach zehn Minuten hatten alle Patienten ihre Injektion erhalten. Die Diagnosecomputer an den Kopfenden der Betten arbeiteten ununterbrochen. Auf Bildschirmen wurden die Aktionsströme der Großhirnrinde dargestellt. Das Elektroenzephalogramm zeigte bei Befallenen einen charakteristischen Kurvenverlauf, der sich in fortgeschrittenen Stadien immer stärker ausprägte.
„Es schwächt sich ab", flüsterte Kreek, nachdem sie etwa eine halbe Stunde lang die EEGs beobachtet hatten. Die Versuchspersonen waren zusehends ruhiger geworden, doch das konnte ebenso gut an physischer Erschöpfung liegen.
Booker nickte.
Er wagte nicht, sich zu freuen. Immer wieder musterte er die Bildschirme, auf denen die physische Verfassung der Versuchspersonen dargestellt wurde. Er hatte nicht vergessen, was Reginald Bull ihm über das Schicksal der Tiere berichtet hatte, denen je ein Schleimklümpchen entfernt worden war. Es bestand die Gefahr, daß eine Ausschaltung des psychischen Einflusses, der von den Schleimklümpchen ausging, ebenfalls tödlich wirkte.
Bisher waren die Funktionen der verschiedenen Körperorgane jedoch nicht beeinträchtigt worden. Sie arbeiteten erstaunlich normal, obwohl die Patienten kein Gramm Körperfett mehr besaßen und trotz intravenöser Zuführung großer Energiemengen weiter an Gewicht verloren.
„Fast normal", sagte Jan Onsteen.
Booker merkte, daß er vor Anspannung den Atem anhielt. Er atmete tief durch.
Im nächsten Moment veränderten sich die Kurven der Enzephalogramme Schlag auf Schlag radikal, und zwar in der Reihenfolge, in der die Versuchspersonen die Injektionen erhalten hatten. Die Anzeigen schienen überhaupt keinen Sinn zu ergeben. Die Aktionsströme der Großhirnrinden waren völlig durcheinander geraten.
Booker überlegte, ob sie das bereitgehaltene Gegenmittel injizieren sollten. Doch die physische Verfassung der Versuchspersonen hatte sich nicht wesentlich verschlechtert.
Er beschloß, noch abzuwarten.
Eine halbe Minute später gratulierte er sich zu diesem Entschluß. Die Kurven der Enzephalogramme beruhigten sich allmählich, und zwar wiederum in der Reihenfolge, in der sie die Injektionen erhalten hatten.
Aber Bookers Erleichterung hielt nicht lange an, denn als die Kurven sich stabilisiert hatten, zeigten sie wieder den für Befallene charakteristischen Verlauf.
„Wie ist das möglich?" rief Kreek ratlos. „Die verabreichten Dosen haben eine Wirkungsdauer von fünf Stunden. Hat sich der Stoffwechsel beschleunigt?"
„Nein", antwortete Booker. „Offensichtlich liegt keine physische, sondern eine psychische Kompensierung des Mittels vor. Harvel, wie weit wurde der vertretbare Dosis-Spielraum ausgeschöpft?"
„Zu einem Drittel", antwortete Kreek. „Ich wollte nicht höher gehen, um einen physischen Schock zu vermeiden."
„Die Dosis hat ihnen physisch offensichtlich nicht zugesetzt", warf Onsteen ein. „Ich schlage vor, daß wir den Spielraum voll ausschöpfen."
Die beiden Männer blickten Booker fragend an.
„Ich habe Angst", erklärte er. „Die chaotische Veränderung der Aktionsströme war zweifellos ein Nebeneffekt der psychischen Auflehnung gegen die Wirkung des Extrakts.
Wenn wir eine stärkere Dosis injizieren, kommt es wahrscheinlich auch zu einer stärkeren Auflehnung und zu einem größeren Chaos bei den Großhirnaktionsströmen. Niemand kann voraussagen, wann die Grenze überschritten wird, hinter der irreparable geistige Schäden eintreten."
„Aber wir dürfen noch nicht aufgeben", sagte Onsteen. „Was soll aus der Menschheit werden, wenn wir kein wirksames Gegenmittel finden? Sollen wir alle befallen und zu Dordon werden?"
Booker wischte sich den Schweiß von der Stirn und merkte dabei, daß seine Hände zitterten.
Durfte er eine Entscheidung treffen, die für zweiunddreißig Menschen Tod oder geistige Umnachtung bedeuten konnte? Gab es irgendeine Rechtfertigung dafür, das Leben von zweiunddreißig Menschen aufs Spiel zu setzen.
Er
Weitere Kostenlose Bücher