1155 - Luzifers große Stunde
hatte mir die Grenzen gezeigt und mich verdammt hart daran erinnert, dass ich nur ein Mensch war.
Dennoch würden wir nicht aufgeben, denn wir hatten einen Namen. Der Ort hieß Uplees, und noch in der Nacht hatten wir herausgefunden, wohin wir fahren mussten. Er lag nicht am Ende der Welt und noch in der Grafschaft Kent. Recht weit nördlich und gegenüber der Isle of Sheepey. Bestimmt keine Touristenhochburg, sondern einsam, abgelegen, eingegraben in seine eigene Vergangenheit, die etwas mit Luzifer und dem Spuk zu tun haben musste, sonst hätte die Spur nicht auf ihn hingewiesen.
Da also würden wir hinfahren müssen, aber erst nach einer Mütze voll Schlaf.
Shao hatte sich um den nassen Suko gekümmert und ihm sofort einen Trank gebraut, der eine Erkältung erst gar nicht aufkommen lassen sollte.
Ich lag zwar im Bett, doch ich fand keinen Schlaf. Durch meinen Kopf kreisten permanent die Ereignisse der letzten Stunden. Mir waren wieder einmal meine Grenzen aufgezeigt worden. Ich hatte wieder in das Schattengesicht gesehen und auch die Augen nicht vergessen. Es gab bei Luzifer keine Liebe. Es gab keine Menschlichkeit. Es gab nur Feindschaft und Dunkelheit. Keine Sonne, kein Licht, kein Lachen.
Meine Unruhe blieb. Ich lebte schon lange in meiner kleinen Wohnung. Als Gefängnis hatte ich sie nie angesehen, und das sollte auch in Zukunft so bleiben.
Es war nicht zu schaffen.
Etwas geisterte durch das Zimmer. Es war nicht zu sehen, nur zu spüren, und es hing mit mir selbst zusammen. Es war der Auslöser für meine Unruhe.
Ich stand wieder auf. Das Schwert des Salomo fand ich im Wohnzimmer. Zum Einsatz war es nicht gekommen, trotzdem musste es wichtig sein, sonst hätte Raniel es nicht mitbringen lassen.
Auch er war machtlos gegen Luzifer gewesen. Logisch, denn wer als Mensch schaffte es schon, sich ihm entgegenzustellen?
Der Gerechte - Luzifer - das Schwert und der Ort Uplees waren die Begriffe, die mich nicht mehr aus ihrem Bann entließen. Irgendwo musste ich den Hebel ansetzen, und dieser Punkt konnte nur mit dem Begriff Uplees zu tun haben.
Okay, ich hatte mir auf der Karte angeschaut, wo ich ihn fand. Mehr auch nicht. Was war dort geschehen? Welches Geheimnis rankte sich um das Dorf an der Küste?
Nun lebte ich in einem Land, in dem fast jeder kleine Flecken Erde seine eigene Geschichte hatte.
Irgendwo spukte es immer. In alten Häuser, Gemäuern, in Ruinen und Wäldern.
Das war sicherlich auch in Uplees so, aber darüber würde mir mitten in der Nacht wohl niemand Auskunft geben. Derjenige, der es gekonnt hätte, der Spuk, hielt sich zurück.
Oder gab es doch jemand?
Ich kochte mir einen Tee. Beim Umrühren kam mir die Idee. Es gab da eine Person, die mir schon weitergeholfen hatte, wenn ich ratlos gewesen war.
Lady Sarah, die Horror-Oma!
Sie war eine Frau, die sich wahnsinnig gut auskannte, und wenn sie mal etwas nicht wusste, dann brauchte sie nur in ihrem Archiv nachzuschauen, um eine Information zu finden.
Die Zeit drängte. Ich wollte jede Möglichkeit ausschöpfen. Sarah würde auch nicht sauer sein, wenn ich sie nach Mitternacht aus dem Bett klingelte. Sie war immer froh, wenn sie in einen Fall mit einbezogen wurde, da spielte die Zeit keine Rolle.
Also tippte ich ihre Telefonnummer ein und vernahm schon bald eine Stimme, die selbst in der tiefen Nacht noch frisch und munter klang.
»Sag nur nicht, dass du noch nicht geschlafen hast, Sarah«, meldete ich mich.
»Nein. Ich habe auf deinen Anruf gewartet.«
»Aha.«
»So nicht, John. Ich habe mir noch einen alten Film angeschaut.« Sie räusperte sich. »So und jetzt sag mal einer alten Frau, was sie so neugierig machen soll.«
»Es ist ein Versuch, mehr nicht.«
»Komm schon zur Sache.«
»Die Sache heißt Uplees.«
»Wie bitte?«
Ich wiederholte den Namen.
»Hm. Und was soll damit sein, John?«
»Pass auf.« In den nächsten Minuten erklärte ich ihr meine Wünsche. Ich wollte nur, dass sie nachschaute, ob sich in Uplees Dinge ereignet hatten, die nicht mit rechten Dingen zugegangen waren, um es mal profan auszudrücken.
»Kann ich dich zurückrufen?«
»Ja, ich trinke inzwischen einen Tee.«
»Ist auch besser als Whisky, John.«
»Du sagst es.«
In den folgenden Minuten saß ich wie auf heißen Kohlen. Ich hatte einfach den Gedanken, alles genau richtig gemacht zu haben. Dieses Gefühl kam von innen, und darauf konnte ich mich eigentlich immer verlassen.
Ich trank den Tee. Er putschte nicht auf. Es war ein Früchtetee.
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