1159 - Seth-Apophis
Unterredung.
„Es sind heute die Vertreter einer höchst interessanten Zivilisation auf Aitheran gelandet, Ipotherape", begann der Anxime. „Sie kamen an Bord eines mächtigen Raumschiffs, das sie nur mit ihren Gedanken steuerten, und haben sich in der Stadt Selavran niedergelassen."
Seth-Apophis horchte auf.
„Man muß ihre Technik erlernen", sagte sie. „Die gedankliche Steuerung technischer Prozesse ist eine Fähigkeit, die uns Vorteile bringen kann."
„Genau meine Überlegung, Ipotherape", schmeichelte Simsin. „Ich meine, wir sollten dabei keine Zeit verlieren. Die Nortaghi scheinen recht unabhängige Gesellen zu sein."
„Wie meinst du das?"
„Sie haben offenbar besonders kräftig ausgeprägte Gewußtseine, Ipotherape. Wie sollte man es auch anders erwarten - bei einem Volk, das sein Geschick auf mentalem Weg steuert? Es ist möglich, daß sie dem Einfluß des Psi-Schilds nur vorübergehend unterliegen. Ginge die Weisheit deiner Botschaft an ihnen verloren, dann würden sie sich wohl auf den Heimweg machen, und wir könnten nichts mehr von ihnen lernen."
Die Aussicht erfüllte Seth-Apophis mit Unbehagen. Gab es solche Wesen wirklich, deren Bewußtsein sich durch die Ausstrahlung des Psi-Schirms nicht in ihrem Sinne formen ließ? Sie vertraute Simsin. Der Anxime hätte sie nicht auf diese Möglichkeit hingewiesen, wenn das Risiko nicht tatsächlich bestände.
„Der übliche Informationstransfer muß sofort in die Wege geleitet werden", entschied sie.
„Die Nortaghi müssen ihr Wissen hier lassen, wenn sie schon zu unserer Weisheit kein Zutrauen haben."
„Aber es könnte gerade der Transferprozeß sein, Ipotherape, der ihr Mißtrauen erregt", gab Simsin zu bedenken.
Seth-Apophis musterte ihren Vertrauten voller Überraschung.
„Wie sollten wir sonst ihr Geheimnis erlernen?" fragte sie.
„Durch Übernahme eines Nortaghi-Bewußtseins", antwortete Simsin.
„Übernahme? Durch wen?"
Simsins eiförmiger Körper wippte auf den acht elastischen Beinen auf und ab. Er befand sich sichtlich in einem Zustand erwartungsvoller Erregung.
„Es gibt in der gesamten Galaxis Sethdepot nur einen einzigen Geist, der die Übernahme eines fremden Bewußtseins ohne schädliche Nebenwirkung überstehen könnte, Ipotherape", erklärte der Anxime.
„Welcher Geist ist das?"
„Das fragst du, um mich zu verspotten, Ipotherape", behauptete Simsin. „Welcher Geist könnte es sein? Doch nur der deine!"
*
Mit einem mal war sie zwei Personen. Die eine war aus dem Intellekt des Heels hervorgegangen und beherrschte seit langen Jahren den Androidenkörper, die andere bestand aus dem Bewußtsein des Nortaghi. Während der Bewußtseinsübernahme war sie für den Bruchteil einer Sekunde ohne Besinnung gewesen. Als sie wieder zu sich kam, wurde ihr schlagartig klar, in welch entsetzlicher Gefahr sie sich befand. Was, wenn der Geist des Nortaghi kräftiger war als der des Heels? Einen gräßlichen Augenblick lang sah sie sich am Ende ihrer Laufbahn, die Schöpferin der Ordnung, bezwungen vom Bewußtsein des Fremden!
Unbarmherzig schlug sie zu. Die Verwirrung des Nortaghi-Bewußtseins kam ihr zu Hilfe.
Noch wußte es nicht, wie ihm geschehen war. Bevor es sich orientieren konnte, traf es Seth-Apophis' mentaler Schlag und machte es ein für allemal zur nachgeordneten Komponente des geistigen Konglomerats. Seth-Apophis atmete auf. Sogleich aber erwachte ihr Mißtrauen. Warum hatte Simsin sie nicht gewarnt? Er hätte wissen müssen, daß die Übernahme eines fremden Bewußtseins mit einem Risiko verbunden war. War es seine Absicht gewesen, daß sie die Kontrolle verlieren sollte? Der Warninstinkt des Raubtiers, für den sie in den vergangenen Jahrzehnten kaum Verwendung gehabt hatte, wurde wieder aktiv. Von jetzt an würde sie Simsin scharf beobachten. So nahm sie es sich vor, aber der Anxime ließ mit keinem Anzeichen erkennen, daß er etwas anderes war als ihr getreuer Diener.
Das Wissen der Nortaghi stand ihr nun zur Verfügung. Sie blickte in eine neue Welt, von deren Existenz sie bisher nichts geahnt hatte. Sie erkannte die ungeheuren Kräfte, die dem Bewußtsein innewohnten Kräfte von derselben Struktur wie jene, die der Sender für die Untermalung seiner Botschaft mit suggestiven Impulsen verwendete. Sie sah sich in einer völlig neuen Position. Vieles, wozu sie bisher der Hilfe der Anximen bedurft hatte, würde sie von nun an selbst verrichten können. Ihr schwebte vor, wie sie kraft ihres Geistes die
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