116 - Der Mitternachtsteufel
Mund. Der Arzt sollte bei ihm in der Zelle bleiben.
„Was ist denn mit Semjat Burjin los?" fragte ich Olga Gallinowa, von der ich mir eine wahrheitsgemäßere Auskunft erhoffte als von Kiwibin.
„Er hat ein sehr starkes Alter ego entwickelt", sagte sie. „Er hält sich für einen Dämon und fällt die Leute an, die in seine Nähe kommen. Wir mußten ihn die ganze Zeit mit Medikamenten dämpfen. Gestern wurden die Medikamente abgesetzt."
Semjat Burjin, ein grauhaariger Mann in einfacher Kleidung, bäumte sich auf und versuchte, seine Fesseln zu sprengen. Das konnte heiter werden.
Olga Gallinowa übersetzte mir, was Dr. Wassilij Wassiliew sagte.
„Experiment beginnt."
Phillip sah auf. Die Elektroden in seinem goldblonden Haar wirkten wie Fremdkörper. Wir sahen alles deutlich auf den Bildschirmen.
„Ich spüre die Nähe des Bösen", sagte er und lächelte verloren.
Dr. Wassiliew stellte Phillip Fragen. Aber er bekam keine Antwort. Er fragte nun Tirso. Wir hörten Dr. Wassiliews Stimme, der seine Fragen in englisch stellte, aus dem Lautsprecher.
„Ich merke nichts", sagte Tirso, „nur daß Phillip sich unbehaglich fühlt."
Erregter Wortwechsel bei den Wissenschaftlern. Tirso hatte keinerlei Kontakt mit Phillip. Wenn er wirklich merkte, wie es ihm ging, mußte das auf übernatürliche Weise geschehen.
Dr. Wassiliew befahl Ruhe. Er wandte sich an den Arzt in Semjat Burjins Kabine. Der Arzt stellte dem Hirten auf russisch Fragen, und Semjat Burjin antwortete mit heiserer, grollender Stimme.
Prof. Dr. Gallinowa übersetzte schnell und erregt.
„Ich bin Tujungo, der Dämon. Ich habe Drachenflügel und
schwinge
mich durch die Lüfte. Von den Gehirnen meiner Opfer ernähre ich mich. Vozu hat mich geweckt, aber er hält mich im Gefängnis dieses Körpers fest.. Ich will heraus, heraus!"
Ein furchtbares Grollen, Fauchen und Zischen war zu hören.
Und dann sahen wir es. Auf dem Bildschirm, der Phillip in seiner Kabine zeigte, erschien ein Ungeheuer. Verschwommen zunächst, dann ganz deutlich. Es war anderthalb Meter hoch und hatte etwas von einem giftigen Insekt und einem Reptil zugleich an sich. Der Dämon hatte schwarze Drachenflügel und einen langen Saugrüssel, von dem eine grünliche Flüssigkeit tropfte. Durch diesen Rüssel sog er zweifellos die Gehirne seiner Opfer ein. Das grüne Sekret war eine Verdauungsflüssigkeit, die sie auf löste.
Das scheußliche Wesen kreischte, wütete und wollte sich auf Phillip stürzen.
Der Hermaphrodit hatte die Augen weit aufgerissen und streckte abwehrend die Hände vor.
Es war, als schützte ihn eine unsichtbare Wand. Tujungo, der Dämon, konnte ihn nicht erreichen. Seine --Körperfarben änderten sich wie bei einem Chamäleon. Er stand auf kräftigen Hinterbeinen und hatte noch zwei Paar Greifhände mit Krallen am Oberkörper. Ein Drachenschwanz mit einem Stachel schlug hin und her.
Dr. Wassiliew sprach hastig in sein Mikrofon.
„Er spricht mit den Milizsoldaten, die auf dem Korridor vor den Zellen warten", sagte Olga Gallinowa. „Jetzt fragt er den Mann, der durch das Guckloch beobachtet, ob er das Ungeheuer sieht. Der Mann antwortet, er kann nur Phillip erkennen, dessen Gesicht verzerrt ist. Er sieht kein Ungeheuer. Jetzt schaut ein Milizleutnant durch den Spion. Auch er kann nichts erkennen. Er macht seine Meldung über Funk."
„Miliz?" fragte ich alarmiert. „Weshalb ist Miliz da? Ihr habt etwas geahnt - nein, gewußt! Es war euch bekannt, wie gefährlich die Sache ist,"
Olga Gallinowa wich meinem Blick aus.
„Fragen Sie den Genossen Kiwibin oder den Genossen Dr. Wassiliew!" sagte sie.
Tirsos Angstschreie gellten aus dem Lautsprecher.
,.Das Ungeheuer!" schrie er. „Der Dämon! Er will Phillip töten. Ich spüre, wie Phillip gegen ihn ankämpft!"
Tirso schaute auf das Türschloß seiner Kabine. Es zersprang. Tirso hatte es auf Castello Basajaun schon geschafft, leichtere Gegenstände mit der Kraft seines Geistes zu bewegen; Aber eine verschlossene Tür zu öffnen, war ihm noch nie gelungen. Nur die Erregung, in der er sich befand, konnte ihn zu dieser Leistung befähigen.
In der dritten Zelle lag der Hirte Semjat Burjin reglos auf der Liege. Der Arzt wollte ihm gerade eine Spritze in die Vene geben.
In Phillips Kabine wütete das Ungeheuer.
Dr. Wassiliew gab über Funk Anordnungen.
Kiwibin war aufgesprungen.
Tirso verließ gerade seine Kabine.
Mich hielt es nicht länger im Beobachtungsraum. Ich rannte hinaus, den Korridor entlang und
Weitere Kostenlose Bücher