116 - Der Mitternachtsteufel
etwas.
Wir wuschen und rasierten uns anschließend und gingen dann zur Küchenbaracke. Phillip und Tirso begleiteten uns.
Kiwibin, der Gemütsmensch, ließ es sich schmecken. In unserem Eßraum war noch keiner von den Parapsychologen, und auch der Leutnant fehlte. Nebenan saßen nur die beiden Techniker, die mit uns hergeflogen waren, und die zwei Männer von der Flughafenbesatzung.
Ich brachte kaum einen Bissen hinunter. Die beiden Milizsoldaten waren von den Dämonen, die die Einwohner von Dscheskajan verkörperten, umgebracht worden. Manchmal wurden welche eben auch körperlich zu Dämonen, eine andere Erklärung gab es nicht.
Der Tag schleppte sich dahin. Leutnant Oleg Stachinskij war außer sich wegen des Todes seiner beiden Leute. Am liebsten hätte er jeden zehnten Einwohner von Dscheskajan an die Wand gestellt. Aber das ließ Kiwibin nicht zu. Er blieb in der Krise so ruhig wie ein Fels in der Brandung. Jetzt erlebte ich einen anderen Kiwibin, einen, der Autorität hatte und befehlen konnte. Mit den Parapsychologen beriet er, was sie tun sollten. Es mußten endlich konkrete Ergebnisse erzielt werden. Die beiden neuen Todesfälle hatten wieder den Schrecken in seinem ganzen Ausmaß gezeigt.
Ich zermarterte mir den Kopf und suchte nach einem Ausweg. Nach dem Mittagessen saß ich mit Phillip und Tirso in einem kahlen, schmucklosen Raum der Forschungsstation. Einfach weglaufen konnten wir nicht. Es war auch nicht meine Art, halbfertige Sachen zurückzulassen. Also mußten wir die Sache wohl oder übel durchstehen, damit Kiwibin uns zum Castillo Basajaun zurückbringen ließ.
Tirso spielte mit seinem Matrjoschka-Püppchen. Er hockte auf dem Boden und hatte die sonst ineinander geschachtelten Kosaken alle aufgestellt, ließ sie kämpfen und tanzen und allerlei Dinge erleben, die sich in seiner Fantasie abspielten. An einem anderen Tag hätte es mir Freude gemacht, ihm zuzusehen.
Phillip saß nur da und schien in sich hineinzulauschen.
Nachdem wir dreieinhalb Stunden herumgesessen und gewartet hatten, erschien Kiwibin. Dr. Wassiliew begleitete ihn.
Kiwibin schloß die Tür hinter sich. Er sah verdrossen aus. Er zündete sich eine Papyrossi an und setzte dabei fast seinen Bart in Brand.
„Der einzig brauchbare Vorschlag ist von Dr. Wassiliew gekommen", sagte er. „Du hast mir eine Menge über Phillip erzählt, Abi. Auch, daß er Dämonen mit seiner Berührung zu töten vermag. Dr. Wassiliew meint, er sollte Nelja anfassen. Es soll ein körperlicher Kontakt zwischen ihnen entstehen. Dann könnte es sein, daß ihr Dämon stirbt."
Ich erinnerte mich daran, welche Furcht Phillip vor Tujungo, dem drachenflügeligen Dämon des Schafhirten Semjat Burjin, gezeigt, welche Mühe er gehabt hatte, ihn abzuwehren.
„Das ist viel zu gefährlich", sagte ich. „Phillip hat den anderen Dämonen, der bei dem Experiment mit dem Hirten vernichtet wurde, auf Distanz gehalten. Wenn er Nelja anfaßt, faßt er gleichzeitig auch den Dämonen an."
Die Falten in Kiwibins Stirn vertieften sich. Dr. Wassilij Wassiliew hatte ihm die Hölle heißgemacht. Kiwibin hatte zu hören bekommen, daß seine Vorgesetzten Berichte erhalten würden, wenn er sich sträubte. Die andern Parapsychologen hatten alle Angst um ihre kostbare Haut und standen auf Wassiliews Seite. Kiwibin wurde überstimmt. Das wußte ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht.
„Milizsoldaten werden sich bereithalten", sagte Kiwibin. „Ich werde selber dabei sein. Das Experiment wird gemacht, mit Nelja und den andern in der Baracke Internierten. Morgen geschieht es, in einem Seitental, zehn Kilometer von hier."
„Warum denn das?"
„Es ist besser so."
Er meinte wohl, daß die Dämonen, falls wir nicht mit ihnen fertig wurden, ein Stück von der Station. entfernt sein sollten.
„Aber Genosse Kiwibin, das können Sie doch nicht einfach so über unsere Köpfe hinweg entscheiden", sagte ich.
„Doch, das können wir", meinte Dr. Wassiliew. Er betrachtete Phillip mit seinen Basiliskenaugen. „Wenn er so gut ist, wie es heißt, wird er damit fertig. Wenn nicht…"
Er sprach nicht weiter.
„Ich bin noch nicht einverstanden", sagte ich. „Das muß ich mir noch sehr genau überlegen."
Dr. Wassiliew hob die linke Schulter und grinste höhnisch. Was hast du schon zu sagen? drückte diese Geste aus.
„Du wirst keine Dummheiten machen, Brüderchen, nein?" fragte Kiwibin mich.
Ich sagte kein Wort, denn es wäre doch nur vergebens gewesen.
Phillip saß da und
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