1160 - Das Gespenst von Dartmoor
ziemlich abgebrüht, lachten darüber nicht. Es gab nicht wenige, die davon überzeugt waren, dass die Kobolde in der Nacht heimlich in die Zellen schlichen und sich schon diejenigen aussuchten, die sie später umbringen wollten.
Drei Tote hatte es gegeben!
Einen Mörder hatte die Polizei nicht fangen können, und die Gerüchte verstärkten sich wieder. Kobolde waren die Täter. Die Pixies hatten ihre Höhlen verlassen und sich auf die Menschen gestürzt, die sie hassten. Sie waren keine netten Gesellen, sondern boshafte Schädlinge, die sich Walters nicht in die Wohnung stellen wollte, auch wenn er sie stets anmalte und es wohl keinen gab, der ihnen so nahe kam. Aber diese hier waren aus Gips.
Schon jetzt flogen die Mücken, und es würde noch schlimmer werden. Nach dem wenig kalten Winter hatten sie sich phantastisch vermehren können, und natürlich waren die Zellen vor ihnen ebenfalls nicht sicher.
Walters hatte in seiner Werkstatt das Fenster offen gelassen. Es flogen trotzdem keine Mücken hinein, denn ein dünnes, fest angebrachtes Netz hielt sie davon ab.
Walters malte. Er war vor einem Monat dreißig Jahre alt geworden. Sein Leben hatte er sich anders vorgestellt. Er hatte durch den Vertrieb von Rauschgift und Pillen reich werden wollen. Ein Irrtum, denn jetzt hockte er in der Zelle, und derjenige, der ihn gefasst hatte, war ein Spitzel der Bullen gewesen.
Walters hatte sich im Knast sein Haar so kurz schneiden lassen, dass er beinahe eine Glatze besaß.
Auf seinem Kopf wuchs nur noch ein dunkler Schatten. Da kam der etwas eiförmige Schädel voll durch, und auch die großen Ohren waren zu sehen. Ansonsten zeigte sein Gesicht einen harten Ausdruck. Das lag auch an der kleinen, aber kompakten Nase, die schief saß, weil sie schon zweimal gebrochen und nicht wieder richtig zusammengeheilt war.
Auf seinen Oberarmen malten sich zwei Tätowierungen ab. Eine zeigte die Fratze des Teufels, der dem Betrachter die Zunge herausstreckte, die andere Tätowierung zeigte eine Ratte, deren Maul böse grinste.
Wegen der Hitze hatte Walters seine Jacke ausgezogen. Er saß in Unterhemd und Hose bei seiner Arbeit. Vor ihm auf dem Tisch standen die Farben und war auch noch genügend Platz für die Gipskobolde. Er malte die Gesichter giftgrün an, wobei der Begriff Gesichter nicht stimmte. Es waren allesamt böse Fratzen, und das Böse musste auch in den Augen zu sehen sein, die schwarz wurden und dem Betrachter ständig ins Gesicht glotzten.
Manchmal hatte er auch den Eindruck, dass die verdammten Kobolde zu leben begannen. Dann bewegten sich zuerst die Gesichter, danach die kleinen Arme und auch Beine.
Es passierte immer dann, wenn er seine Arbeit besonders stark hasste. Dann bildete er sich das ein, aber er wusste letztendlich nicht, ob sie nicht doch am Leben waren.
Er schwitzte. Wasser stand in Reichweite. Das aus der Leitung. Es schmeckte nach alter Erde und verfaultem Laub. Den Eindruck hatte er zumindest. Er trank es trotzdem, aus Durst.
Manchmal glaubte er auch, die Kobolde flüstern zu hören. Sie sprachen mit leisen Stimmen über ihn, sie lachten ihn dann aus, und er stand immer dicht davor, durchzudrehen.
Den Pinsel in die Farben tauchen, malen, malen… abwarten, bis die Gipskörper trockneten, sie dann in das Regal stellen und wieder von vorn beginnen.
Ein beschissener Job, aber immer noch besser als die Knochenarbeit im Steinbruch.
Er wartete auf die Pause. Die Zeiten hatte er sich selbst gesetzt. Drei Kobolde wollte Carl Walters noch anmalen, dann reichte es ihm. Dann würde er auch den Pinsel nicht mehr locker halten können.
Da wurde sein Handgelenk schwer, und er würde Fehler begehen.
Die Tür wurde aufgedrückt. Hier klopfte niemand an. Die Wärter kontrollierten ohne vorherige Zeitansage, und auch jetzt übertraten sie mit schnellen Schritten die Schwelle.
Wie immer waren sie zu zweit. An diesem Tag allerdings hatten sie Besuch mitgebracht. Eine junge dunkelhaarige Frau im hellen Sommerkostüm stand plötzlich in der heißen Bude.
Walters glaubte, sich in einem Traum zu befinden. Wann hatte er zum letzten mal eine solche Frau gesehen, die zudem noch gut aussah? Dunkles Haar, eine sonnenbraune Haut, eine kleine Nase, schön geschwungene Lippen, die jetzt leicht lächelten, wobei das Lächeln die Augen nicht erreichte.
»Steh auf, Walters, wenn du Besuch von einer Lady bekommst!«, wurde er angefahren.
»Ja, schon gut.« Walters erhob sich. Er stand etwas krumm und grinste leicht
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