1161 - Der Keim des Bösen
keine Toten oder weitere Verletzte.
Sekunden können sich zu Ewigkeiten dehnen, das erlebte ich in diesen Momenten, in denen die Panik alles andere hinweg gefegt hatte. Es gab kein normales Denken mehr und auch kein normales Handeln, hier regierte die nackte Angst. Sie trieb die Menschen zu Handlungen und Taten, die sonst nicht möglich gewesen wären.
Weiter links sprangen zwei junge Leute über das Geländer hinweg in die Tiefe, um so zu versuchen, ihr Leben zu retten.
Und der Kerl wollte wieder schießen. Er schoss auch, aber ich rempelte den Mann an. Seine Arme flogen zusammen mit der Waffe hoch. So fuhr die Kugel zum Glück weit oben in die Decke, wo sie kein Unheil anrichten konnte.
Wie es außerhalb dieser Restaurant-Insel aussah, das wusste ich nicht. Bestimmt hatte sich die Panik ausgebreitet und wie eine gewaltige Welle fortgesetzt.
Ich wollte hier alles wieder richten, und diesmal hatte ich Glück. Die meisten Gäste waren aus dieser Insel verschwunden. Meine Sicht und die Bahn waren frei.
Auch Jane rappelte sich wieder hoch. Aus dem rechten Augenwinkel nahm ich wahr, dass sie noch immer benommen war. Nur durch den reinen Willen schaffte sie es, auf die Beine zu gelangen.
Das sah auch der Killer!
Sein Gesicht zeigte plötzlich einen erstaunten Ausdruck, als könnte er es nicht glauben. Er senkte seine Waffe, legte genau auf Jane an. Da wurde mir klar, dass er es auf sie abgesehen hatte. Vielleicht auch auf mich, und der leichte Holzstuhl glitt mir wie von selbst in die linke Hand.
Ich schleuderte ihn auf den Killer zu - und traf!
Es war der richtige Moment. Das Möbelstück wuchtete gegen seine Schulter. Es traf auch den Kopf, und plötzlich torkelte der Killer zur Seite. Dann musste er sich am Geländer festhalten, um nicht zu Boden zu stürzen.
Ich hörte Janes Anfeuerungsschrei. Sie hätte ihn auch für sich behalten können, ich war bereits unterwegs. Bevor sich dieser unscheinbare Typ mit dem schweißnassen, roten und auch hasserfüllten Gesicht erholt hatte, war ich bei ihm.
Mit einem Zangengriff bekam ich seine Schusshand zu packen. Ich riss den Arm in die Höhe und wuchtete ihn im gleichen Moment wieder nach unten.
Das rechte Handgelenk traf krachend auf das Geländer. Es krachte wirklich. Ein Knochen oder was auch immer. Ich hatte all meinen Zorn in diese Aktion gelegt. Die Finger waren nicht mehr in der Lage, eine Faust zu schließen. Sie öffneten sich, und einen Moment später rutschte die verdammte Waffe hervor. Sie landete am Boden, ich trat sie weg, dann kümmerte ich mich um den Schützen.
Er stand plötzlich so dicht vor mir, dass- ich selbst von dieser Nähe überrascht war. Ich sah nur die Augen und darin diesen Ausdruck, den ich als normaler Mensch nicht nachvollziehen konnte. Es war so böse, so voller Hass und reiner Menschenverachtung, dass es mir eisig kalt wurde.
Der Mund stand offen. Aus den Winkeln rann der Speichel und sickerte dem Kinn entgegen. Mir fauchte ein stinkender Atem ins Gesicht, und ich war in diesem Moment froh, dass es mir nicht gelungen war, ihn zu erschießen.
Mein rechter Arm glitt hoch und dann nach unten, als die Waffe kurz über dem Kopf des Schützen geschwebt hatte.
Jetzt nicht mehr.
Da war sie gegen den Schädel geschlagen. Wuchtig und genau richtig, um den anderen in das Reich der Bewusstlosigkeit zu schicken. Er zuckte noch einmal, dann faltete er sich vor mir zusammen und blieb zu meinen Füßen liegen.
Es war aus. Es war vorbei! Ich hatte es geschafft. Wie eine Scherbe waren das Grauen und die Menschenverachtung in den Kreislauf des Lebens hineingedrungen.
Ich merkte, dass ich ebenfalls Nerven hatte. Ich zitterte, mein Herz schlug schneller als gewöhnlich, und ich drehte mich langsam zur Seite nach rechts hin.
Dabei hatte ich den Eindruck, in einem Vakuum zu stehen. Es würde sich wieder füllen, schon in wenigen Minuten, wenn auch die Kollegen hier waren. Momentan jedoch kam ich mir so einsam vor. Wie jemand, der sich vom Schlachtfeld erhoben hatte und sah, dass er als Einziger überlebt hatte.
Nein, es gab noch jemand, der sich auf dem Schlachtfeld bewegte. Es war Jane Collins, die ihre Arme angehoben hatte, auf einem Stuhl saß, und jetzt die Hände vor das Gesicht schlug. Auch sie zitterte.
Ich schaute vor meine Füße. Ein Blick fiel auf die Kopfwunde, die der Lauf der Beretta hinterlassen hatte. Blut war daraus hervorgedrungen und in das Haar gesickert. Aber der Schütze war nicht tot, und das war auch wichtig. Ich wollte
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