1161 - Totentanz in M 82
auszumalen. Gemessen an ihren Taten, kann ihr Aussehen nur das eines monströsen Ungeheuers sein."
Seine Stimme war laut und klar. Ich begriff, was er vorhatte. Irgendwann würden wir beginnen, uns gegen Seth-Apophis zu wehren. Bis dahin mußten wir wissen, wie wir uns miteinander verständigen konnten. Hörte Atoresk unseren Unterhaltungen zu? Reagierte er darauf? Und wie stand es mit Waylon Javier? Er stand unter dem mentalen Einfluß der Superintelligenz. Störte es ihn, wenn abfällig über sie gesprochen wurde? Meldete er an Seth-Apophis weiter, was er hörte?
Atoresk rührte sich nicht. Er klammerte sich mit seinen Patschhändchen an das Geländer und starrte hinaus ins trübe Dämmerlicht. Waylon stand abgewandt. Auch er zeigte keine Reaktion.
Die Antwort kam aus einer ganz anderen Richtung. Eine mächtige, donnernde Stimme schwang plötzlich in der feuchten Luft.
„Es ist ohne Bedeutung für Ipotherape, was mindere Geschöpfe über sie denken. Um deiner selbst willen rate ich dir, dich respektvoller auszudrücken."
Mein Blick ging durch die Maschen des Geländers hinaus. Harmans Plattform war wenigstens einhundert Meter von der unseren entfernt. Über diese Entfernung hinweg hatte er den Armadaprinzen sprechen hören?
Nachors Auge blitzte auf. Ebenso laut wie zuvor, aber diesmal in Interkosmo, sagte er: „Laß ihn schreien. Es gibt andere Wege, wie wir uns verständigen können."
„Oh, du Narr!" dröhnte es auf Interkosmo zu uns herüber. „Meinst du denn, ich beherrschte nur eine einzige eurer Sprachen?"
Nachor grinste. Sein Gesicht wirkte eigenartig, wenn er das tat. Der Mund verzog sich, Falten gruben sich in die Mundwinkel. Aber das große, starre Auge hatte an der Heiterkeit keinen Anteil.
„Man muß sich arrangieren", sagte er halblaut. „Er kann nicht alles verstehen."
„Ihr seid besser dran, wenn ihr schweigt", dröhnte Harmans Stimme. „Loses Geschwätz dient nur dazu, den Unwillen der Mächtigen zu erregen."
Erfolgreicher hätte Nachors Experiment nicht verlaufen können. Mit dieser Mahnung gab er zu erkennen, daß er den Armadaprinzen zwar sprechen hören, aber nicht verstanden hatte. Ich musterte Atoresk. Er rührte sich noch immer nicht. Das allein hatte nichts zu sagen. Wenn er das gehörte speicherte und Seth-Apophis beizeiten hinterbrachte, konnte er immer noch genug Schaden anrichten. Aber daraus, daß Harman auf Nachors frevelhafte Worte reagiert hatte, schloß ich, daß es nicht zu Atoresks Aufgaben gehörte, unsere Gespräche zu überwachen.
Waylon Javier wandte sich uns zu. Mit ausdruckslosem Gesicht und tonloser Stimme sagte er: „Achtet auf mich. Sobald sich die Gelegenheit bietet, habe ich eine Erklärung abzugeben."
*
Ich wollte aufspringen, ihn bei den Schultern packen und rütteln, bis er mit der Sprache herausrückte. Waylon aber überquerte die Plattform, als habe er sich nur umgewandt, um sich einen besseren Stehplatz zu suchen, und postierte sich an der heckwärtigen Seite des Geländers.
Ich fühlte Nachors starren Blick. Der Armadaprinz stand reglos. Hätte ich nur einen Schritt in Waylon Javiers Richtung getan, dessen war ich sicher, er hätte sich auf mich gestürzt, um mich festzuhalten. Seine Sorge war überflüssig. Ich hatte die Bedeutung des Augenblicks erkannt. Es war nicht der von Seth-Apophis kontrollierte Waylon gewesen, der zu uns gesprochen hatte. Es mußte Augenblicke geben, in denen er Herr seiner selbst war. Er hatte Nachors Experiment abgewartet und so leise gesprochen, daß Harman auf der anderen Plattform ihn nicht hören konnte. Atoresk schien nichts von alledem mitbekommen zu haben.
Wir hatten einen Mitverschwörer! Einen, den Seth-Apophis fest unter ihrer Kontrolle zu haben glaubte. Die Lage hatte plötzlich ein anderes Aussehen. Es gab wieder Grund zu hoffen.
Mit Mühe fand ich zurück in die Rolle des Ausgelaugten, Hilflosen.
Ich hockte am Rand der Plattform und hatte den Rücken gegen das Geländer gelehnt.
Das Gelände unter uns war nicht mehr so eben wie bisher. Hügel türmten sich auf, einige so hoch, daß ihre Kuppen sich mit den beiden Fahrzeugen auf gleicher Höhe befanden.
Bleicher Dschungel überwucherte das Land. Hier und da gab es Lichtungen unterschiedlicher Größe. Manchmal waren auf den Lichtungen Gebäude zu sehen, aber ich konnte nicht erkennen, in welchem Zustand der Erhaltung sie sich befanden und ob sie bewohnt oder sonst wie benützt wurden. Bei all der Trostlosigkeit ringsum fiel es einem
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