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1161 - Totentanz in M 82

Titel: 1161 - Totentanz in M 82 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Terraner. Du sollst der erste sein, dem ich seine Aufgabe nenne."
    Sie mußte meinen Namen genannt haben, ohne daß ich es bemerkte. Ich trat widerwillig einen Schritt nach vorne. Der Verstand arbeitete auf Hochtouren. Mit aller Gewalt versuchte ich, mir klarzumachen, daß es sich, wie bei so vielem, was Seth-Apophis tat, auch hier nur um eine Theaterszene handelte. Die Superintelligenz war nicht an diesen zerfallenden Leib gebunden. Am Anfang ihrer Laufbahn, irgendwann vor wer weiß wie vielen Hunderttausenden von Jahren, mochte er ihr als Wirtskörper gedient haben. Jetzt aber war sie Geistwesen und bedurfte keiner körperlichen Hülle. Vielleicht war die Mumie vor uns nur eine Attrappe. Nein, diesen Gedanken rief ich sofort zurück. Das teuflische Feuer der eingesunkenen Augen war zu echt. Der Mund zuckte voller Erregung, begierig auf das nächste Wort, das über die weißen Lippen kam. Die Hände ballten und entspannten sich, und die papierne Haut knisterte. Theater, ja - Attrappe, nein. Seth-Apophis' Bewußtsein steckte in diesem uralten Körper, der in seiner Jugend so ausgesehen haben mochte, als sei er nach dem Vorbild des Menschen geformt. Sie war hier, und sie sprach zu mir.
    „Weißt du, welche Rolle ich dir zugedacht habe?" fragte die keifende Stimme aus der Höhe.
    Der schaurige Anblick, das gespenstische Knistern, der diabolische Gestank - das alles machte mir zu schaffen.
    „Nein", antwortete ich unsicher.
    „Einen hohen Posten habe ich für dich vorgesehen", lachte es hämisch. „Aber zuerst bedarfst du noch der Konditionierung. Ich muß dich formen, bis du so denkst und handelst, wie es sich für einen Diener der Mächtigen geziemt."
    Die Erinnerung an die zwölf toten Boriden stieg in mir auf. Mein Zorn erwachte.
    Konditionierung nannte sie das, wenn sie mich dazu veranlaßte, unschuldige Wesen zu töten.
    „Ich lege keinen Wert auf deinen hohen Posten", sagte ich.
    „Du wirst nicht gefragt", keifte die Stimme. Der zahnlose Mund bewegte sich zuckend.
    „Meine Pläne sind gemacht. Du hast nur zu gehorchen."
    Etwas Seltsames geschah. Ich vergaß, wo ich war und wem ich gegenüberstand. Es spielte auf einmal keine Rolle mehr, daß ich es mit einer Superintelligenz zu tun hatte. Ich fühlte mich erniedrigt, beleidigt, beschmutzt, und eine kalte Wut stieg in mir auf, die die Fesseln der Angst sprengte.
    Später habe ich mich oft gefragt, ob Seth-Apophis diese Reaktion selbst herausgefordert haben mag. Sie hatte die Wahl, in welcher Form sie uns erscheinen wollte. Sie wählte den Mummenschanz mit dem halb zerfallenen Körper und dem düsteren Raum. Sie schuf die Szene, die zwar Widerwillen, Abscheu und eine instinktive Reaktion kreatürlicher Angst, aber keine Spur von Achtung oder gar Ehrfurcht hervorrief.
    „Deine Pläne taugen nichts", sagte ich mit lauter Stimme. „Niemand wird sich nach ihnen richten."
    „Du elender Wurm! Was weißt du von meinen Plänen?"
    Schrill, klirrend kam die Stimme. Der Hieb saß! Die Superintelligenz war zornig.
    „Du nennst dich die Schöpferin der Ordnung und bist doch nur ein Werkzeug des Chaos", höhnte ich. „Die Hohen Mächte sind deiner Tollheit überdrüssig und werden dir das Handwerk legen."
    „Ein Werkzeug? Chaos? Mir das Handwerk..."
    Wildes, zügelloses Geschrei - mühevoll artikuliertes Gestammel eines Bewußtseins, das im Begriff war, die Beherrschung zu verlieren. Der Triumph riß mich mit sich. Ich durfte jetzt nicht aufhören. Ich mußte weitermachen, in dieselbe Kerbe schlagen, durfte sie nicht zur Besinnung kommen lassen. Ich hatte die Kraft, sie zu verletzen, und - bei Gott - verletzten wollte ich sie!
    „Du bist schlimmer noch und verachtungswürdiger als ein Werkzeug", schrie ich. „Du hast dich selbst zu dem gemacht, was du bist - und handelst dennoch nicht aus freiem Willen. Der Instinkt diktiert dein Handeln. Du bist wie ein Tier..."
    Der Raum verschwand vor meinen Augen. Gleißende Helligkeit umgab mich, stach mir in die Augen und fuhr mir wie mit glühenden Nadeln ins Gehirn. Etwas explodierte tief im Innern des Schädels. Das Universum zerbarst.
    Dann war Ruhe ... und Finsternis.
     
    *
     
    „Der Selbstmörder erwacht", hörte ich eine sonore Stimme sagen.
    Die Augen empfanden dankbar das gedämpfte, gelbe Licht. Der Blick irrte über seltsam geformte Gegenstände, die wahllos verstreut herumlagen und den Geruch des Alters ausströmten. Staub hing in der Luft. Ich spürte die Kälte, die der Boden unter mir ausstrahlte, und

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