1163 - Der Blut-Galan
sie zugehen, dann fielen sie einem wie reife Früchte in den Schoß.
Beau Leroi strich sein langes Haar zurück und schloss die Augen. Unbeweglich blieb er mehrere Minuten am Fenster stehen, dann entschloss er sich, das Fenster zu öffnen.
Die weiche Nachtluft roch nach Sommer. Der Wind brachte den Geruch von frischem Laub mit, aber auch den der Blumen auf den Wiesen.
Als überempfindliche Person nahm er das alles auf, aber es waren nicht die Gerüche, die er über alles liebte. Da gab es andere. Oder einen bestimmten. Einen wunderbaren Geruch. Blut stand an erster Stelle.
Er brauchte es. Er bekam es. Er nahm es sich. Und er würde es sich immer wieder holen, damit seine Existenz niemals endete. Es gab genug Menschen, die gern in seiner Nähe waren, die er locken konnte, und die seinem Ruf folgten.
Obwohl er sich einmal geirrt hatte. Da war ihm jemand entkommen. Eine junge Frau, die aus London stammte. An sie war er zwar herangekommen, doch er hatte sie leider nicht so perfekt machen können, wie er es sich vorgestellt hatte. Es hatte noch zu viel Menschliches in ihr gesteckt, und so war sie geflohen und würde sicherlich allein auf die Blutsuche gehen.
Gefallen konnte ihm das nicht, aber er war nicht mehr in der Lage, es zu ändern.
Er saugte den Geruch auf. Er sah in der Dunkelheit den schwarzen Streifen. Dort malte sich der Waldrand wie ein Kamm ab. Dahinter lag das Dorf mit den wenigen Häusern wie ein verwunschenes Schloss. Überhaupt machte diese Gegend den Eindruck, als wäre die Zeit an ihr vorbei geflossen. So sah auch sein Haus aus, in das sich Leroi zurückgezogen hatte. Alt, aus grauen Steinen gebaut. Von einem wilden Garten umgeben, in dessen Mitte das Wasser eines Teichs wie ein übergroßes Auge schimmerte.
Beau Leroi schloss das Fenster wieder. Er drehte sich um und durchquerte sein großes Zimmer, in dem noch die alten Möbel aus den vergangenen Jahrhunderten standen.
Die beiden Spiegel an den Wänden waren für ihn nur als Dekoration gedacht. Er ging daran vorbei, ohne das sich seine Gestalt auch nur für einen Moment in der Fläche abgemalt hätte.
Bei ihm war alles anders. Es sah aus wie ein Mensch, aber er war keiner. Und wer ihn als Mensch sah, der musste den Eindruck haben, dass er aus einer Zeit stammte, die schon lange vorbei war.
In seinem Haus war es still. Nur das Öffnen der Zimmertür war auf dieser Etage zu hören. Im Flur blieb Leroi für einen Moment stehen. Seine Stirn erhielt nachdenkliche Falten, die auch nicht verschwanden, als er auf die Treppe zuging.
Er war nicht nur der Herrscher der Nacht, er hatte sich auch als ein solcher gekleidet. Ein dunkles Outfit. Und dazu der ebenfalls dunkle Umhang, der ihm als Mantel diente. Er hasste die Kleidung der modernen Menschen. Leroi lebte einfach in einer Welt, die er auch nicht verlassen würde.
Es brannte kein Licht im Haus. Die Dunkelheit lag an verschiedenen Stellen wie schwarze Stockflecken. Einem Menschen hätte sie zumindest einen Schauer über den Körper gejagt, aber Beau Leroi dachte anders darüber. Er liebte die Finsternis. Sie war seine Kraftquelle, und das würde auch so bleiben.
Leichtfüßig schritt er die breiten Stufen der Treppe hinab, auf der ein blutroter Teppich lag. Er war nur bei Helligkeit zu sehen, in der Nacht verschwand er in der Dunkelheit.
Leroi erreichte den Bereich des Eingangs. Für einen Moment blieb er dort stehen und schaute sich um. Er war zufrieden. Kein Geräusch. Kein Jammern, kein Klagen, nur die Stille, die ihn einbettete.
Er schritt über den Holzboden hinweg und versuchte, seine Tritte zu dämpfen. Die große Fenster ließen den Blick nach draußen nicht zu. Lena hatte die Vorhänge vor die Scheiben gezogen. Das tat sie immer kurz vor Einbruch der Dunkelheit.
Sie hatte ihn auch gehört, denn hinter seinem Rücken hörte er das Schleifen einer sich öffnenden Tür. Er kannte das Geräusch und brauchte sich nicht umzudrehen, denn er wusste, dass er nur seine Vertraute sein konnte, die dort kam.
»Du willst weg, Beau?«
»Ja.«
»Zu ihr?«
Beau Leroi drehte sich erst jetzt um. Ihn schien auch das Flackern der Flamme irritiert zu haben, das von einer Kerze abgegeben wurde, deren Schein über den Boden tanzte.
Sie warf auch das Licht in das Gesicht einer Frau, das vom Alter gezeichnet war. Die Haut war von tiefen Furchen durchzogen. Das meiste Haar hatte die alte Frau bereits verloren. Die Reste lagen als dünne Strähnen auf ihrem Kopf.
Beau Leroi lächelte. »Warum hast du
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