1163 - Der Blut-Galan
gefragt, Lena? Willst du, dass ich nicht gehe?«
Sie kam einen Schritt näher, blieb aber dann stehen und schaute gegen die Flamme. Die Kerze selbst stand auf einem flachen Teller, den sie mit der linken Hand festhielt. »Es hat damit nichts zu tun, Beau. Ich habe dich beobachtet, und du weißt auch, dass ich immer treu zu dir stehe. Aber in der letzten Zeit kommt es mir vor, als würdest du gewisse Dinge einfach ignorieren oder vergessen.«
»Wovon sprichst du?«
»Von der Erhaltung deines Lebens.«
»Keine Sorge. Darum kümmere ich mich.«
»Tatsächlich?«
Beau schüttelte den Kopf. »Was soll das? Warum redest du so? Was habe ich getan?«
»Du lässt dich ablenken.«
»Ach ja? Wieso?«
»Von der Neuen.«
Der Vampir warf den Kopf zurück und lachte. Es war kein normales Lachen. Derartige Geräusche hätte auch ein Tier ausstoßen können. Aber er hielt den Mund weit offen, und so sah die Alte auch die Spitzen seiner Zähne.
Der Anblick faszinierte sie immer wieder aufs Neue. Sie mochte diesen schönen Mann. Bei seinem Anblick dachte sie immer daran, wie es in ihrer Jugend gewesen war. Auch da hatte es schöne Männer gegeben, aber sie waren ihr doch anders gegenüber getreten. Mehr als Kavalier, als Galan, und genau das brachte Beau mit aus der Vergangenheit. Lena wollte, dass diese Vergangenheit Bestand hatte, und dafür musste man etwas tun. Man musste einfach kämpfen und sich auch dementsprechend verhalten.
Beau stoppte sein Lachen. »So«, sagte er, »jetzt möchte ich gern wissen, was dich stört. Du hast es mir nicht gesagt. Ich spüre es nur, verstehst du?«
»Ja, das ist richtig.«
»Rede. Ich nehme mir die Zeit.«
Lena drehte sich zur Seite und stellte den Teller mit der Kerze auf einem kleinen Tisch ab. »Was soll ich dazu sagen, schöner Mann? Ich mache mir eben Sorgen.«
Er lachte wieder. »Nein, das brauchst du nicht. Ich bin der, Herrscher, der Herr der Nacht. Am Tag lebst du hier und wachst über die Helligkeit. In der Nacht allerdings ist dann meine Zeit gekommen. So führen wir das Wechselspiel, und wir werden dafür sorgen, dass es nie aufhört.«
»Das ist schon richtig, Beau. Aber du darfst eines nicht vergessen.«
»Und das wäre?«
»Ich bin nicht unsterblich wie du. Ich bin ein Mensch. Mir hat niemand das Blut ausgesaugt…«
»Was auch so bleiben wird!«, erklärte er. »Dein Blut wird auch weiterhin in deinen Adern fließen. Du bist mir als Verbündete einfach zu wertvoll, Lena.«
Sie lächelte geschmeichelt, senkte auch den Kopf. Der Vampir ging auf sie zu. Er tat das, was Lena am liebsten hatte. Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest an sich.
Genau das kam bei Lena an. Dieser Körper eines schönen Mannes. Diese Ausstrahlung. Diese Kraft.
Ein Mensch, ein Tier und eine Bestie. Er vereinigte alles in sich, und genau das waren die Gründe, die Lena dazu trieben, ihn nie zu verlassen.
Nach einer Weile ließ er sie los und fragte: »Ist es das gewesen, was du mir hattest sagen wollen?«
Die alte Frau rang etwas nach Luft. »Ja. Kann ich dich vor Anbruch des Tages wieder hier zurückerwarten?«
»Bestimmt.«
»Gut, ich lege mich dann hin.«
»Tu das.« Er ging wieder auf sie zu. Zwei Hände umfassten Lenas Wangen. Dann beugte er seinen Kopf nach unten und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.
Als die alte Frau die kalten Lippen spürte, erschauerte sie. Es war ein wohliger Schauer, der über ihren Körper floss. So liebte sie ihn, so mochte er sie. Wohl nie in der Geschichte der Menschheit hatte es ein so ungewöhnliches Paar gegeben wie sie beide. Lena betrachtete sich und den Blutsauger als Paar.
Er drehte sich mit einer schwungvollen Bewegung um. Der Mantel flog dabei wie eine Fahne in die Höhe, bevor er sich bei den nächsten Schritten wieder senkte. Da befand sich der Blutsauger bereits auf dem Weg zur Tür.
Sie war aus schwerem Holz gearbeitet. Alte Eiche war genommen worden, und sie reichte bist fast zur Decke.
Beau zog sie auf.
Wieder erwischte ihn die Nachtluft. Er ging über die Stufen der Treppe hinweg, und Lena, die ihm nachschaute, schüttelte leicht den Kopf, während sie dachte: Welch ein Mann!
Lächelnd, aber auch etwas besorgt schaute sie ihm nach, bis die Nacht ihren Boten verschluckt hatte. Lena war nicht unbedingt glücklich. Es sah alles normal aus. Es lief auch alles normal, und trotzdem hatte sie das Gefühl, dass etwas auf sie zukroch. Etwas Gefährliches, das alles zerstören konnte…
***
Ich war zum Yard gefahren und
Weitere Kostenlose Bücher