1163 - Der Blut-Galan
gezeigt?«, erkundigte ich mich.
»Einmal.«
»Wunderbar. Was stand darin?«
»Das habe ich vergessen. Ich konnte sie gar nicht richtig lesen. Sie hat sie wieder schnell an sich genommen und erklärt, dass dieses genau ihr neues Glück wäre.« Er schabte mit dem rechten Fuß über den schmutzigen Boden hinweg. »Ich wollte auch mitgehen, aber sie hat sich sofort dagegen gewehrt. Das wäre nichts für mich, hat sie gesagt und die Anzeige wieder verschwinden lassen.«
Nach dem letzten Wort bekam er große Augen. »Ja, sie hat sie einfach weggesteckt. Ich weiß, dass sie sie immer bei sich getragen hat.«
»Wo?«
Robby leckte über seine trocken gewordenen Lippen. »Am Körper. Sie war wie ein wertvoller Schatz für sie. Cindy steckte die Anzeige immer in ihre Brusttasche. Klein und zusammengeknickt. Das war für sie das Wertvollste überhaupt. Der Start in die neue Zukunft.«
Ich hatte sehr genau zugehört, wie auch Kollege Milton. Wahrscheinlich beschäftigten uns beide die gleichen Gedanken, aber nur einer sprach sie aus, und das war ich.
»Wenn das so ist, dann könnte sie die Anzeige auch jetzt noch bei sich tragen.«
»Bestimmt.«
»Danke, Robby.« Ich drehte mich weg und ging in den Gang. Hinter mir sprachen Milton und der Junkie, was mich nicht mehr kümmerte. Ich kniete neben der Toten nieder und sah tatsächlich die Brusttasche auf der linken Seite ihres Shirts. Sie war sehr klein und kaum zu entdecken. Ich schob zwei Finger hinein und drückte die Spitzen bis zum unteren Rand durch. Dort stieß ich gegen das Papier.
Behutsam zog ich es hervor.
Es war tatsächlich die Anzeige. Sehr klein zusammengefaltet, auch leicht feucht. Als ich wieder normal stand, trat ich noch einen Schritt zur Seite, um besseres Licht zu haben.
Es war der Ausschnitt aus einer Zeitung. Sehr vorsichtig zupfte ich den Zettel glatt, der trotzdem noch verknittert war, aber die Schrift konnte ich lesen.
Ich flüsterte die Worte vor mich hin. »Wo die Dame noch eine Lady ist und der Herr zum Gentleman wird. Das ist die Welt des Beau Leroi. Ein Kontakt lohnt sich. Nur für Damen.« Es war nur eine Telefonnummer angegeben und keine Email Adresse.
Ich las den Text noch einmal, bevor ich zu den anderen beiden zurückging. Die Augen des Kollegen bekamen Glanz, als er den kleinen Zettel in meiner Hand entdeckte.
»He, ist das die Nachricht?«
»Ja, die Annonce.«
»Und? Kann sie uns weiterbringen?«
»Das muss sich noch herausstellen.« Ich spannte die beiden nicht mehr länger auf die Folter und las ihnen den Text vor. Sie hörten zu, wobei ich Robby nicht aus den Augen ließ.
Er enttäuschte mich, denn er machte mir klar, dass er damit nichts anfangen konnte.
»So habe ich das nie gehört. Sie hat mir nicht getraut und den Text auch nicht vorgelesen.«
»Was ist mit dem Namen Beau Leroi«
»Nie gehört.«
»Das muss der Galan sein«, sagte Cash Milton.
Der Meinung war ich auch. Ich steckte den Zettel in meine Geldbörse. Mit dem Anrufen der Nummer würde ich mir nicht viel Zeit lassen. Nur nicht hier, sondern im Büro oder bei den Kollegen von der Fahndung. Es war auch möglich, dass gegen Beau Leroi etwas vorlag.
Zuvor aber musste man sich um die Tote kümmern, und auch Cash Milton brauchte dringend ärztliche Behandlung. Alles andere würde sich ergeben…
***
Der hochgewachsene Mann mit den langen dunklen Haaren stand am Fenster seines Hauses und schaute von der Hügelkuppe in die Weite des bewaldeten Landes hinein wie ein Herrscher, der sehr stolz auf sein Reich war. Der Tag hatte die Welt bereits verlassen. Die mächtige Dunkelheit hatte sich wie eine unendliche Schwinge ausgebreitet und alles zugedeckt. Es war die Zeit der anbrechenden Nacht, und genau diese Stunden liebte Beau Leroi.
Die Finsternis war seine Geliebte. Da blühte er auf. Da würde der Keim in ihm aktiviert, da merkte er, woher er kam, woher er stammte und was in seinem Körper floss.
Er lächelte die Scheibe an, aber nicht die Spur eines Spiegelbildes malte sich darin ab. Vampire besitzen kein Spiegelbild, und das genau traf auf Beau Leroi zu.
Er war der Herr der Nacht. Der Herrscher über das Blut. Das unheimliche Gespenst in der Dunkelheit, das niemals richtig leben und sterben würde wie normale Menschen.
Offiziell gab es ihn gar nicht. Dennoch existierte er und hatte seine Spuren hinterlassen. Sein Plan war so wunderbar, dass er sich stündlich ergötzen konnte. Er hatte die Menschen richtig eingeschätzt. Man musste nur entsprechend auf
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