1166 - Der Erschrecker
hätte nur ein Ziel abgegeben. Wir kamen auch ohne sie zurecht, denn die Schatten, die wir sehr bald sahen, waren die Wände und Reste der Station.
Es waren keine fremden Geräusche zu hören, nur unsere Schritte und das heftige Atmen meiner jungen Begleiterin: Cathy konnte nicht mehr länger schweigen. Es brach einfach aus hier hervor.
»Das ist der Wahnsinn, John. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal hierher kommen würde, dazu noch in der Nacht. Alle warnen und keiner, den ich kenne, traut sich, zur Station zu gehen.«
»Wir werden es überstehen.«
»Und Hank?«
»Abwarten.«
»Das Monster hat ihn doch geholt. Glauben Sie denn, dass wir ihn wirklich hier finden?«
Hundertprozentig überzeugt war ich davon nicht. Ich konnte es auch nicht ausschließen.
Mir erschien dieser Ort als der einzig geeignete. Hier hatte er seine Ruhe. Hier würde Hank, wenn er den Vampirbiss erhalten hatte, ungestört in sein neues, verfluchtes Dasein hineingleiten können, um dann von diesem Ort aus seine Blutraubzüge zu beginnen.
Okay, die Mauern kannte ich. Nur war in der Dunkelheit nicht zu erkennen, ob sich viel verändert hatte. Die Umgebung war auch dichter bewachsen. Selbst tagsüber würde eine gewisse Düsternis an diesem Ort nicht verschwinden.
Vor uns befand sich der offene Stall. Er sah aus wie ich ihn kannte. Ich hätte mich gefreut, wenn sich meine Freund Suko plötzlich aus einer dunklen Ecke gelöst hätte und auf uns zugekommen wäre. Doch davor hatte die Zeit ihren Riegel gesetzt.
Cathys Hand rutschte aus meiner weg. »Es ist so unheimlich und dunkel«, sagte sie leise.
»Obwohl ich nichts sehe, habe ich Angst.«
»Das wird sich ändern«, erwiderte ich und holte meine schmale Leuchte aus der Tasche.
Das Mädchen schaute verwundert zu, wie ich den Strahlungswinkel verstellte und so etwas wie ein Lichttrichter durch die Dunkelheit glitt und die Schatten vertrieb.
Über den Boden wanderte das Licht hinweg und zielte in den vorn offenen Pferdestall.
Da hatte sich wirklich nicht viel verändert. Mir fiel zunächst auf, dass er leer war. Ich sah die Futterkästen.
Es gab auch die Halteringe, die Tröge für das Wasser, ansonsten fiel mir nichts auf.
Was auch Cathy gut tat, denn sie atmete hörbar auf und erklärte mir, dass sie auf keinen Fall eines der beiden Gebäude rechts und links betreten wollte.
»Das kann ich verstehen.«
»Wollen Sie es denn tun?«
»Ja!«
Sie erschrak. »Aber wissen Sie denn nicht, was sich die Leute erzählen? Hier lauern schreckliche Wesen, die nur darauf warten, sich an Menschen zu vergreifen.«
Ich lächelte ihr ins Gesicht. »Wir Menschen, Cathy, sind nicht nur immer Opfer. Wir kennen uns auch wehren.«
»Wie denn?« Sie hatte Angst, und ihre Stimme bebte. »Das habe ich bei Hank gesehen. Der konnte sich auch nicht wehren. Der ist völlig verloren gewesen.« Sie wies in die Runde. »Außerdem ist er nicht hier. Oder sehen Sie ihn?«
»Nein. Was aber nicht besagt, dass wir woanders suchen müssen. Ich kann mir schon vorstellen, dass er hier wartet, wenn er erwacht ist.«
Mit den letzten Worten kam Cathy nicht zurecht. »Wieso sollte er erwachen? Glauben Sie denn, dass er geschlafen hat?«
»Nein, das nicht. Und wenn, dann ist es kein normaler Schlaf gewesen.« Ich legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Ich nehme an, dass es an der Zeit ist, Ihnen etwas zu sagen. Auch wenn wir Hank sehen. Er wird ein anderer sein.«
»T… tot…?«, flüsterte Cathy.
»Ja und nein. Es gibt da einen Begriff. Er ist zwar paradox, aber er hat sich eben eingebürgert. Ich würde ihn als untot bezeichnen. Oder als einen Wiedergänger.«
»Bitte?«
»Er wird zu einem Vampir geworden sein. Jemand, der das Blut der Menschen trinkt. Er wird auch vor Ihnen nicht Halt machen, Cathy. Wenn Sie ihm begegnen, müssen Sie ihn mit völlig anderen Augen ansehen. Er kann gleich aussehen, aber er ist nicht mehr der Gleiche. Man muss ihn zum zweiten Mal töten, und das richtig. So und nicht anders sind die Regeln, die ich nicht gemacht habe.«
Cathy Brixon schwieg. Damit hätte sie rechnen müssen, aber für jemand, der mit diesen schrecklichen Dingen nie konfrontiert wurde, war es eben schwer, so etwas zu glauben.
Sie nickte nur. Weitere Fragen wollte sie nicht stellen, was ich auch gut verstehen konnte.
Unsere Umgebung schwieg sich aus. Ich leuchtete in die verschiedensten Richtungen, sorgte dafür, dass sich die Schatten der Nacht zurückzogen und die Umgebung sichtbar wurde, die im
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