1168 - Marionetten der Silbernen
sich, als er an den Bericht von Fragan Tyn und Nejai Koone über eine Projektion erinnert wurde, die ihnen im Armadasiegelschiff vorgegaukelt worden war: einen hochaufgetürmten Berg nackter menschlicher Leiber, deren bleiches Fleisch ineinander zu fließen schien.
Er stöhnte.
Damals hatten sie alle angenommen, diese Perversion wäre der Phantasie des Armadaschmieds Sarkonew entsprungen, der zu jener Zeit das Armadasiegelschiff manipuliert hatte. Jetzt ging ihm auf, daß nicht Sarkonew diese Projektion erzeugt hatte, sondern der Bewahrer der Flamme. Dieser Sohn Ordobans hatte sie vor den wahren Absichten der Silbernen warnen wollen, aber sie hatten die Warnung nicht verstanden.
Und nun ging die düstere Prophezeiung in Erfüllung, wenn auch nicht auf die drastische Art und Weise der Projektion. Das Grauenhafte daran entzog sich der optischen Wahrnehmung. Es spielte sich in der Psyche der Betroffenen ab.
Diejenigen Menschen, die schon völlig nackt waren, krochen dichter zusammen und krallten sich ineinander.
Sobald sie eng zusammengerückt waren, blieben sie liegen. Ihre Körper wurden intervallartig von Zittern und Beben durchlaufen.
Und ihre Gesichter waren von silbrigem Gespinst überhaucht!
Eric schüttelte sich vor Grauen.
Das war der letzte Beweis.
Der „Altweibersommer" an Bord der ICCUBATH war offenkundig einer der Faktoren, der die Verschmelzung zu einem Überorganismus ausgelöst hatte.
Weidenburn versuchte, seine Phantasie im Zaum zu halten und sich nicht bildlich vorzustellen, wie die Entwicklung weitergehen würde. Er schaffte es nicht.
Er schrie gellend vor Entsetzen.
*
Irgendwann hatte er seine Kräfte erschöpft. Er schrie nicht mehr, sondern dämmerte nur noch apathisch vor sich hin.
Doch nach einiger Zeit flossen ihm aus unbekannten Reserven wieder Energien zu, und diesmal erschöpfte er sie nicht wieder in sinnlosem Toben, sondern setzte sie ein, um darüber nachzudenken, wie er dem Grauen ein Ende bereiten könnte.
Denn ihm war klargeworden, daß er es seinen ehemaligen Anhängern schuldete, sie vor weitergehender, noch schlimmerer Entmenschlichung zu bewahren.
Es war seine Pflicht, sie und sich selbst zu töten.
Wieder richtete er seine Aufmerksamkeit auf die Monitoren, denn mit seinem Entschluß allein war es nicht getan. Er mußte eine Möglichkeit finden, ihn zu verwirklichen.
Auf der Suche nach dieser Möglichkeit schaltete er immer mehr Monitoren hinzu. Dabei stellte er etwas fest, das ihm zu denken gab.
Überall in den zu der großen Halle führenden Korridoren waren Quechos oder Armadamonteure postiert - und es blieb nicht bei Doppelposten. Nach und nach traf Verstärkung ein.
Weidenburn begriff, das galt nicht ihm, sondern den Hunderttausend!
Im ersten Augenblick dieser Erkenntnis vermutete Eric, diese Abriegelung diene dazu, die Hunderttausend zusammenzuhalten. Doch er verwarf diesen Gedanken gleich wieder, denn seine ehemaligen Anhänger benahmen sich keineswegs so, als handelten sie unter äußerem Zwang. Es war vielmehr ein innerer Zwang, der sie immer enger zusammentrieb. Folglich war eine Abriegelung sinnlos, wenn sie dazu gedacht war, ein Zerstreuen der Menge zu verhindern.
Aber welchem Zweck diente sie dann?
Eric kam trotz angestrengten Nachdenkens nicht dahinter. Er gab sein Grübeln auf und suchte weiter nach einer Möglichkeit, seinen Entschluß zu realisieren. Doch auch dabei blieb er erfolglos. Deshalb kehrte er zu seiner ursprünglichen Absicht zurück, Verpflegung für Simone zu beschaffen. Ihm wurde gar nicht bewußt, wie absurd es war, die Frau vor dem Verhungern bewahren zu wollen, obwohl er auch ihren Tod beschlossen hatte.
Mit Hilfe der Monitoren fand er schließlich eine Vorratskammer, in der Konzentratnahrung lagerte. Ebenfalls mit Hilfe der Monitoren konnte er einen Weg dorthin für sich suchen, der um die Posten herumführte.
Er schaltete die Anlagen wieder ab und verließ die Nebenzentrale. Nur wenige Meter hinter den Rücken von vier Quechos, die einen Korridor versperrten, schlich er zu einem Antigravschacht und ließ sich fünf Etagen höher tragen.
Außerhalb der Sperrzone war es unheimlich still. Eric begegnete weder Quechos noch Armadamonteuren. Sie schienen alle in den Sektionen rings um die große Halle zusammengezogen zu sein. Unangefochten erreichte er die Vorratskammer.
Hier stapelten sich große Kisten mit Packungen zu je fünfzehn Portionen Konzentratnahrung. Eric vermochte zwar die Beschriftung nicht zu lesen,
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