1169 - Pforte des Loolandre
die BASIS abzubremsen und auf Gegenkurs zu bringen, schlug fehl. Das Steuer- und Kontrollsystem reagierte nicht auf die entsprechenden Befehle. Die Hamiller-Tube bezeichnete sich als partiell gelähmt. Auch sie hatte keine Erklärung, wie es zu einem solchen Versagen kommen konnte. Es war Perrys Absicht gewesen, den verderblichen Einfluß der verschobenen Wirklichkeit auf die einfachste Weise zu neutralisieren: indem er sich schleunigst aus der Nähe des Loolandre entfernte.
Diese Möglichkeit, das wußte er jetzt, bestand nicht. Der Regisseur hatte dafür gesorgt, daß seine Zuschauer ihm nicht davonliefen.
In einem Konferenzraum an der Peripherie der Kommandozentrale fand er seine Getreuen, die sich abgesondert hatten und mit aller Kraft ihrer Bewußtseine gegen den seltsamen Drang ankämpften, der sie plötzlich dazu verleiten wollte, ihr Dasein der hemmungslosen Schlemmerei zu widmen. Sie wirkten müde und abgekämpft. Es kostete Mühe, einem Verlangen zu widerstehen, das dieselbe Intensität entwickelte wie animalischer Hunger. Alaska Saedelaere hatte die nützliche Idee gehabt, daß den um ihre Beherrschung Kämpfenden alle halbe Stunde ein kleiner Imbiß serviert würde. Dadurch verschafften sie sich vorübergehend Erleichterung. Aber lange würden sie es trotzdem nicht mehr durchhalten, das sah man ihren gequälten Gesichtern an.
Gesil ertrug die Lage noch am leichtesten.
„Ich fühle den Hunger", erklärte sie Perry. „Ich habe entsetzlichen Durst nach ausgefallenen und teuren Getränken. Aber es läßt sich ertragen. Wenn es zu schlimm wird, lasse ich mich vorübergehend einschläfern."
Sie hatten versucht, dem Problem auf medotechnische Weise beizukommen. Die herkömmlichen Drogen waren wirkungslos. Jen Salik, dem es nie an ausgefallenen Ideen mangelte, hatte sich einem Experiment unterzogen, bei dem die gastrischen Nerven durch Akupunktur desensitiviert werden sollten. Auch das war erfolglos gewesen. Die Mutanten ertrugen die Qualen mit stoischer Ruhe. Am gefährdetsten waren Waylon Javier und seine engen Mitarbeiter Sandra Bougeaklis und Deneide Horwikow.
Eine Zeitlang zog Perry in Erwägung, die verbleibenden acht Armadaflammen zu verteilen. Die Flamme allein schützte vor dem unsinnigen Eßbedürfnis; selbst die Zellaktivatoren waren machtlos gegen die Auswirkungen der verschobenen Wirklichkeit.
Acht der zehn Urianetics, die Fellmer Lloyd im Armadasiegelschiff vom Bewahrer der Flamme erhalten hatte, besaßen ihren Inhalt noch. Zwei Flammen waren erst vergeben worden - eine an Atlan, die andere an ihn selbst.
Er verwarf die Idee schließlich. Die Armadaflammen waren zu kostbar, als daß sie für diesen Zweck hätten mißbraucht werden dürfen. Noch war die Lage nicht hoffnungslos.
Noch bestand die Aussicht, daß der Spuk irgendwann in naher Zukunft sein Ende finden werde - entweder weil das menschliche Bewußtsein sich gegen die aufgezwungene Eßsucht durchsetzte, oder weil die Bedingung erfüllt wurde, die die Pforte des Loolandre öffnete.
Herth ten Var, erfuhr Perry von Fellmer Lloyd, hatte sich in sein medotechnisches Labor eingesperrt. Man hatte seit Stunden nichts mehr von ihm gehört Perry machte sich auf den Weg, ihn aufzusuchen. Eine der Hoffnungen, die ihm noch blieben, war, daß der Armadaprinz sich rechtzeitig an den Kodespruch erinnerte, den Chmekyr zu hören verlangte.
*
Herth ten Vars Gesicht wirkte eingefallen, die Augen hatten einen fiebrigen Glanz. Der Ara sprach langsam, als müsse er sich jedes Wort einzeln überlegen, und mit heiserer Stimme.
„Ich kann jetzt nicht aufgeben", sagte er. „Die Gier zerreißt mir die Eingeweide, der Rachen ist rau vor Durst. Aber in zwei Stunden ist der SubC-Scan fertig, und ich habe nicht einen vollen Tag lang mit aller Energie gearbeitet, um mir diesen Augenblick entgehen zu lassen."
Perry bewunderte die Hartnäckigkeit des Medikers. Er stand unter Drogeneinfluß, das war unverkennbar. Ebenso deutlich war aber auch, daß er mit den Zwängen der Eßlust noch schwerer zu kämpfen hatte als Waylon Javier und seine Mitarbeiter.
„Ich lasse dir etwas zu essen schicken, damit du wenigstens vorübergehend Ruhe hast", schlug Perry vor.
Herth ten Var schüttelte den Kopf. Sein Gesicht verzog sich zu einem bitteren Grinsen.
„Das wäre mir keine Hilfe", antwortete er keuchend. „Du kennst mich nicht. Wenn ich anfange zu essen, höre ich nicht mehr auf. Schon zu lange plagt mich der Hunger. Darum habe ich vorgesorgt. Mein Magen
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